Drachenlied
schwoll immer stärker an. Ohne Zweifel hatte der Fischschleim zu einer Blutvergiftung geführt. Mavi holte eine Pächtersfrau, die als Heilerin galt. Zum Glück für Menolly beschlossen sie, die primitiven Klammern zu lösen, damit der Eiter besser abfließen konnte. Stündlich wechselten sie die Umschläge.
Blutvergiftungen durch Stachelschwanzschleim verliefen oft bösartig, und Mavi graute vor dem Gedanken, dass man Menolly den Arm amputieren müsste, um ein Übergreifen
der Infektion auf den ganzen Körper zu verhindern. Sie wachte Tag und Nacht an der Seite ihrer Tochter, eine Tatsache, die Menolly mit Erstaunen und Dankbarkeit registriert hätte, wäre sie bei Bewusstsein gewesen. Am Abend des vierten Tages verschwanden zum Glück die dunkelroten Striemen an der Innenseite des Arms. Die Schwellung ging zurück und die Ränder des tiefen Schnitts wirkten nicht mehr so entzündet wie zu Beginn.
In ihren Fieberträumen bettelte Menolly immer wieder verzweifelt, noch einmal, ein einziges Mal spielen zu dürfen, und das brach Mavi fast das Herz, denn sie war sich im Klaren darüber, dass die Hand für immer verkrüppelt bleiben würde. Allerdings löste der Unfall auch manches Problem, denn der neue Harfner stellte Yanus Fragen, die den Burgherrn in Verlegenheit brachten. Elgion erkundigte sich immer wieder, wer den Jüngsten die Lehrballaden beigebracht hatte. Yanus in seiner Angst vor einer Blamage wich aus und murmelte etwas von einem Pflegling, der kurz vor der Ankunft des Harfners auf seine eigene Burg zurückgekehrt sei.
»Wer immer es war, er hat das Zeug zu einem guten Harfner«, erklärte Elgion dem Baron. »Der alte Petiron war ein ausgezeichneter Lehrmeister.«
Das Lob beunruhigte Yanus eher. Er konnte seine Aussage nicht mehr zurücknehmen, und er wollte nicht eingestehen, dass ein Mädchen die Kinder unterrichtet hatte. Wie man es auch drehte und wendete - ein Mädchen konnte niemals der Harfnergilde beitreten. Menolly war jetzt zu alt, um selbst am Unterricht teilzunehmen, und er wollte schon dafür sorgen, dass sie mit anderen Dingen beschäftigt war, bis sie ihre Sehnsucht nach Musik selbst als kindisch empfand. Aber zumindest hatte sie der Burg keine Schande gebracht.
Es tat ihm natürlich leid, dass die Kleine sich diese schlimme
Wunde zugefügt hatte - und das nicht nur, weil sie im Haushalt tüchtig zupacken konnte. Hin und wieder fehlte ihm ihre klare, sanfte Stimme bei den Wechselgesängen, die sie früher mit Petiron bestritten hatte. Er verdrängte diese Gedanken. Weiber hatten anderes zu tun, als herumzusitzen und zu musizieren.
Wenn Elgions Berichte stimmten, dann tat sich allerhand auf den Burgen und Weyrn. Es gab tief greifende Probleme, die ihn von Alltagsereignissen wie einer kranken Tochter ablenkten.
Der Harfner überschüttete den Baron mit merkwürdigen Fragen: Welches Verhältnis hatte er zum Benden-Weyr? Pflegte er oft Kontakt mit den Alten vom Ista-Weyr? Was hielten er und seine Pächter von den Drachenreitern? Wie fanden sie den Weyrführer und die Weyrherrin von Benden? Störte es sie, wenn die Drachenreiter in den Burgen und Gildehallen Nachwuchs suchten? Hatte Yanus oder sonst jemand aus der Halbkreis-Bucht je an einer Gegenüberstellung teilgenommen?
Yanus beantwortete die Fragen in seiner gewohnt knappen Art und für den Anfang schien das den Harfner zufriedenzustellen.
»Unsere Burg hat auch vor dem Fädeneinfall stets ihren Tribut an den Weyr entrichtet. Wir kennen unsere Pflicht und Benden tut die seine. Seit Beginn des Sporenregens vor mehr als sieben Planetendrehungen hat sich kaum ein Knäuel auf unserem Gebiet eingegraben.«
»Die Alten? Nun, wir sehen nicht viel von ihnen. Weniger zumindest als die Leute von Keroon und Nerat, die näher am Ista-Weyr liegen. Wir haben uns damals gefreut, dass die Alten das Opfer brachten und so viele Jahrhunderte übersprangen, um uns zu retten.«
»Drachenreiter sind in der Halbkreis-Bucht jederzeit willkommen.
Die Frauen von Benden weilen im Frühling und Herbst ohnehin hier, um Kräuter zu sammeln oder Beeren zu lesen. Wir nehmen sie gern auf.«
»Die Weyrherrin Lessa kenne ich nicht persönlich. Ich sah sie nur hin und wieder mit ihrer Königin Ramoth am Himmel. Aber F’lar, der Weyrführer, das ist ein feiner Kerl.«
»Nachwuchssuche? Nun, wenn sie bei uns einen geeigneten Jungen finden, dann betrachten wir das als Ehre und lassen ihn ziehen.«
Das allerdings war ein Problem, das den Baron kaum berührte; noch
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