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Drachenmonat

Drachenmonat

Titel: Drachenmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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gestohlen?«, fragte ich. Unsere Blicke begegneten sich im Rückspiegel. »Ich fürchte es, Kenny.«
    »Du hast sie also nie gelesen?-«
    »Doch, so viel ich geschafft habe.«
    »Wo sind sie jetzt?-«
    »In einer Bibliothek. Die haben sie billig bekommen.«
    »Ha!«, sagte Mona. Sie drehte sich zu uns um. »Immer wieder verspricht er es. Aber er kann nicht aufhören.«
    »Ich habe aufgehört«, sagte Krister. »Aber sie glaubt mir nicht.«
    »Ich glaube dir«, sagte ich. Unsere Blicke begegneten sich wieder. »Ich glaube dir auch«, sagte Kerstin. »Ha!«, sagte Mona.
    »Ihr müsst meiner Verlobten verzeihen«, sagte Krister. »Aber ich habe sie schon oft enttäuscht.«
    »Die Geschichte mit den Nachschlagewerken war das letzte Mal«, sagte Mona.
    »Aber jetzt bin ich auf dem richtigen Weg«, sagte Krister. »Wie weit ist es noch?-«, fragte Kerstin. »Zwanzig Kilometer«, sagte Krister. »Zwanzig Kilometer und vier Liter.«
     
    Ich erkannte die ersten Häuser sofort, noch ehe wir die Stadtgrenze erreichten. Ich hatte ein komisches Gefühl im Bauch, fast wie in dem Moment, als Kerstin und ich uns umarmt hatten. Ein prickelndes Gefühl.
    Wir fuhren am Park vorbei. Ich sah den Fluss. An seinem Ufer standen Laternen. Ich sah die Würstchenbude und die verschiedenen Geschäfte. Vor einer Woche war ich durch diese Straße gegangen, aber es konnte genauso gut ein Jahr her sein. So ein Gefühl hatte ich. Zehn Jahre. Als hätten wir eine Weltreise gemacht. Oder eine Reise durchs Sonnensystem.
    Kerstin hielt meine Hand. Als wir am Park vorbeifuhren, drückte sie sie fest.
    »Wohin jetzt?-«, fragte Krister.
    »Zu mir ist es am nächsten«, sagte ich.
    Es waren nur noch wenige Häuserblocks, und Krister hielt vor unserem Tor.
    Kerstin folgte mir auf den Hof. Der war leer, keine Frau Sandberg, die Läufer klopfte. Plötzlich hatte ich Sehnsucht nach dem Geräusch. Ich schaute hinauf. Mein Herz hämmerte.
    »Unsere Wohnung ist dunkel«, sagte ich. »Du musst erst raufgehen«, sagte Kerstin. »Kommst du mit?-«
    »Natürlich.«
    Wir stiegen die vertraute Treppe hinauf. An die Treppe hatte ich nie gedacht, aber jetzt dachte ich an jede Stufe. Jede sah anders aus.
    Ich klingelte an der Tür. Ich klingelte noch einmal. Aber niemand öffnete.
    »Hast du den Schlüssel noch?-«, fragte Kerstin.
    »Ja. Aber es ist sinnlos.«
    »Willst du nicht reingehen?«
    »Nein. Jetzt fahren wir zu dir.«
     
    Kjell öffnete die Tür nach dem zweiten Klingelton. Ich hatte ihn noch nicht oft getroffen. Er war Kerstin ähnlicher, als ich mich erinnerte.
    »Kerstin! Kerstin!«, schrie er.
    Von drinnen in der Wohnung ertönte ein Krachen.
    Lieber Gott, dachte ich, sie ist betrunken.
    Aber sie war nicht betrunken. Kerstins Mutter kam durch den Flur gestürmt und behielt das Gleichgewicht. Sie stürzte sich fast auf Kerstin. Sie stürzte sich fast auf mich. Sie drückte Kerstin, dass ihr die Luft wegblieb.
    »Entschuldige, verzeih mir«, sagte sie. »Kannst du mir verzeihen, Kerstin? Verzeih, verzeih.«
    Sie konnte überhaupt nicht aufhören. Sie hatte keine anderen Wörter.
    Kerstin weinte. Ihre Mutter weinte. Kjell weinte, und ich weinte auch.
    »Aber kommt rein, kommt rein.« Kerstins Mutter zog uns in den Flur. Ich erkannte sie kaum wieder, seit ich sie das letzte Mal gesehen hatte. In ihrem Gesicht war nichts mehr, was an die Frau von jenem Mal erinnerte.
    Sie nahm Kerstin den Rucksack ab.
    »Wir haben noch etwas zu erledigen«, sagte Kerstin.
    »Was? Was meinst du?«
    »Ich bin gleich wieder da.« Kerstin sah mich. »Vielmehr, wir sind gleich wieder da. Aber wir müssen noch einmal wohin.«
    »Wohin geht die Reise jetzt, meine Herrschaftend«, fragte Krister, als wir zum Buick zurückkehrten. »Zum Irrenhaus«, sagte ich.
     
    Die Wände waren genauso weiß wie beim letzten Mal, die Betten, die Fenster, die Decke, der Fußboden. Es war, als wäre ich erst gestern oder heute Morgen hier gewesen. Ich hatte so oft an diesen Krankensaal gedacht, dass es jetzt war, als hätte ich ihn nie verlassen.
    Mutter hatte ihn nicht verlassen.
    Ich hielt ihre Hand.
    Sie schlief und sah ganz ruhig aus.
    Kerstin stand neben mir. Sie hatte eine Hand auf meine Schulter gelegt.
    »Ich bin wieder zu Hause, Mutter«, sagte ich. »Und Kerstin ist auch hier.«
    Ich spürte, dass Mutter meine Hand fester fasste. Sie konnte mich hören. Sie wollte, dass ich ihr erzählte. Also erzählte ich ihr alles. Es dauerte wahrscheinlich mehrere Stunden, aber ich hatte keine Uhr, und

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