Drachenwege
zu widersetzen. Jeder, der außerhalb seiner eigenen Gemeinde heiratet, ist darauf angewiesen, dass die Händler ihn befördern, und er würde sich hüten, sie zu verprellen.«
Danil nahm sich ein Stück Gebäck und biss hinein.
»Das schmeckt ja köstlich! Und es ist noch warm. Hat Jenella diese Leckereien geschickt?«
Meister Zist nickte. »Ja, jemand hat sie gerade gebracht.« Kindan fiel ein, dass er kurz nach der Ankunft seines Vaters gehört hatte, wie die Haustür noch einmal geöffnet und wieder geschlossen wurde.
Danil setzte eine ernste Miene auf. »Kindan, geh bitte für einen Augenblick nach draußen«, sagte er zu seinem Sohn.
»Nimm deinen Tee und etwas Gebäck mit«, forderte
Meister Zist ihn auf. Kindan suchte sich sein Lieblings-gebäck aus, griff nach seiner Tasse und verließ die Kate.
Milla, die in Natalons Haushalt für das Backen und Kochen zuständig war, fabrizierte für ihr Leben gern irgendwelches Naschwerk, das sie »Schleckereien« nann-te. Dabei probierte sie immer etwas Neues aus.
Manchmal stellte sie Konfekt her, dann wieder buk sie Plätzchen; gelegentlich kamen winzige, mit Fleisch gefüllte Pastetchen aus ihre Küche, oder gewürzte
Gemüsehäppchen. Das Stück Blätterteig, das Kindan
ergattert hatte, enthielt eine delikate Hackfleischfüllung.
Die Sonne stand noch hoch am Himmel, doch ihre
Wärme vermochte die herbstliche Kälte im Tal nicht zu verscheuchen. Kindan fröstelte. Er machte sich auf einen kalten Abend gefasst, der nur durch etliche Becher mit heißem Klah und Glühwein erträglich würde.
Entschlossen stopfte er sich den Rest des Blätterteigs in den Mund, damit er beide Hände an der Teetasse wärmen konnte.
Drinnen in der Hütte war eine lebhafte Unterhaltung im Gange, doch einzelne Worte vermochte er nicht zu verstehen. Gelangweilt schlenderte er zu dem von einer Mauer umfriedeten Kräutergarten, der die Kate des Harfners von Natalons Wohnsitz trennte. Natalons
Herberge war viel zu groß, um noch als Cottage durch-zugehen, außerdem bestand sie gänzlich aus Stein.
Wenn die Zeit des Fädenfalls näherrückte, würde dieses Gebäude als Vorbau zu einer ordentlichen Fluchtburg dienen, die man in die Bergflanke hineinschlug, und die es an Größe eventuell sogar mit Burg Crom aufnehmen konnte.
Kindan und die anderen Kinder des Camps hatten
ungefähr ein Jahr lang in Burg Crom gewohnt, derweil Natalon, Danil und andere Bergarbeiter die Gegend
nach abbauwerten Kohlelagerstätten erkundeten und mit der Errichtung einer Förderanlage begannen, sowie sie fündig wurden.
Burg Crom glich einem gigantischen Labyrinth aus
Tunneln und Räumen, die man in eine hoch aufragende, majestätisch anmutende Steilwand gebrochen hatte.
Kindan hatte viel Zeit damit verbracht, durch die leeren Zimmer zu stromern - oder sie zu säubern. Sowie der nächste Vorbeizug des Roten Sterns begann und es wieder Fäden vom Himmel regnete, würden dort die
Menschen einziehen, für deren Schutz der Burgherr von Crom zuständig war.
Kindan schüttelte sich bei dem Gedanken, was den
Bewohnern von Pern in nicht allzu langer Zeit be—
vorstand. Fäden! Silbern glänzende, lange Streifen, zu Wolken zusammengeballt, die der Rote Stern wie eine Tod und Verderbnis bringende Schleppe hinter sich
herzog. Und die auf Pern abregneten, wenn sie dem
Planeten nur nahe genug kamen. Diese gefräßigen Spo-ren zerstörten bis auf Stein und Metall alles, womit sie in Berührung kamen. Sie verätzten und fraßen nicht nur Menschen und Tiere, sondern auch die gesamte Vegetation. Zur Zeit eines Vorbeizugs durfte in der Nähe der Fluchtburgen nichts Grünes gedeihen. Die Fäden, nicht empfindungsfähige Organismen, wuchsen unglaublich schnell und konnten blühende Täler binnen weniger Stunden in eine unfruchtbare Ödnis verwan-deln. Jedenfalls hatte Kindan es so gelernt.
Er kniff leicht die Augen zusammen und versuchte
sich vorzustellen, wie man hinter Natalons Haus eine Festung in die Bergflanke schlagen würde. Von den
oberen Etagen aus hätte man einen phantastischen
Ausblick über den See, doch Kindan grauste es, wenn er daran dachte, dass er fünfzig Planetenumdrehungen lang in einem Höhlenlabyrinth hausen musste.
Tief in seinem Innern bezweifelte Kindan sogar, ob er wirklich den Beruf des Bergmanns ausüben wollte.
Doch dann unterdrückte er resolut diesen ketzerischen Gedanken. Sein Vater war ein Bergarbeiter und ein
Wher-Führer. Er sollte sich glücklich schätzen, wenn sich ihm
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