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Drachenwege

Drachenwege

Titel: Drachenwege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCaffrey
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gehen. Was hatte Zenor im Sinn? Kindan mutmaßte, jemand, der sich drinnen aufhielt, hätte ihn gerufen. Er nahm sich vor, die näheren Umstände zu ergründen.
    Dann lenkten ihn die ersten vernehmlichen Geräusche der heranrollenden Wagen ab, und er widmete seine volle Aufmerksamkeit der Karawane.
    *
    Eine linde Brise trug den schwachen Duft von
    Kiefernharz in die Kate des Harfners. Das würzige
    Aroma war durchsetzt mit anderen Gerüchen, die Nuella in Gedanken mit einer bestimmten Person verband.
    »Zenor, bist du es?«, flüsterte sie.
    Durch das Fenster hörte sie deutlich, wie jemand
    mitten im Lauf innehielt und schlitternd zum Stehen kam. Gleich darauf zischte Zenor: »Was tust du denn hier?«
    Verärgert über den ruppigen Ton, furchte Nuella die Stirn. »Komm rein, dann erkläre ich dir alles«, antwortete sie gereizt.
    »Ist ja schon gut«, brummte Zenor. »Aber lange kann ich nicht bleiben. Ich muss etwas ausrichten.« Nuella entging nicht der Unterton von Wichtigkeit, und sie wusste, dass Zenor als Kurier unterwegs war.
    Ihre nächste Frage behielt sie für sich, bis sie Zenors Schritte auf der vorderen Treppe hörte. Von der im rückwärtigen Teil der Kate liegenden Küche ging sie durch die Diele zur Eingangstür. Als Zenor ins Haus trat, brachte er einen Luftschwall mit sich, der durchtränkt war mit der vom See aufsteigenden Feuchtigkeit.
    »Ich dachte, Kindan sei der Kurier und du würdest
    Wache halten«, sagte sie.
    Zenor seufzte. »Wir haben getauscht.« Hastig und mit freudiger Stimme fügte er hinzu: »Ich darf ihm helfen, den Wachwher zu baden.«
    »Wann?«
    »Heute Abend«, gab Zenor zurück. »Die Handelskarawane ist eingetroffen ...«
    »Das habe ich schon gehört«, fiel Nuella ihm stirnrunzelnd ins Wort. »Weißt du vielleicht, ob der neue Harfner dabei ist? Ich möchte ihn gern kennen lernen.«
    »Du willst mit ihm sprechen? Und was wird dein
    Vater dazu sagen?«, wandte Zenor ein.
    »Das ist mir einerlei«, gab Nuella unumwunden zurück. »Wenn ich mich schon die ganze Zeit über verstecken muss, dann möchte ich zumindest von dem Harfner etwas lernen. Er kann mir neue Stücke für
    meine Flöte beibringen ...«
    »Und wenn jemand etwas merkt?«
    »Die Karawane ist doch im Anmarsch, nicht wahr?
    Also gibt es heute Abend ein Fest, richtig? Und du bist unterwegs, um den Leuten auf dem Platz Bescheid zu sagen«, sagte Nuella. »Wenn ich mich anziehe wie jemand, der zur Karawane gehört, wird keinem etwas auffallen.«
    »Die Händler werden sofort wissen, dass du nicht zu ihnen gehörst«, gab Zenor zu bedenken.
    »Na und? Sie werden glauben, ich sei eine Bewoh—
    nerin des Camps und würde zu Ehren unserer Gäste
    diese Kleidung tragen.«
    »Und was ist mit deinen Eltern - oder Dalor?«
    Nuella hob die Schultern. »Du musst dafür sorgen,
    dass ich ihnen nicht versehentlich über den Weg laufe.
    So schwer dürfte das nicht sein. Schließlich rechnen sie nicht damit, mir hier zu begegnen.«
    »Aber ...«
    Nuella streckte den Arm nach ihm aus, drehte ihn
    herum und schob ihn zur Tür. »Lauf jetzt lieber los, sonst fragt dich noch jemand, warum du gebummelt hast.«
    *
    Als Kindans Ablösung ein paar Stunden später
    eintraf, hatte er Zenor bereits vergessen. Sein Magen knurrte und ihm lief das Wasser im Munde zusammen, als von den großen Kochfeuern, die man draußen entzündet hatte, der Duft von gewürztem und
    geröstetem Wherry den Hang hinauf wehte.
    Normalerweise nahmen die Familien im Camp Natalon die Mahlzeiten in ihren eigenen Quartieren ein. An diesem Abend jedoch brannten in den Gruben im Zentrum des Platzes gewaltige Feuer, und ringsum
    standen lange hölzerne Tische mit Bänken für die
    Campbewohner und die Mitglieder der Handelskarawane.
    Harfner Jofri und ein paar andere Musikanten spielten lebhafte Weisen, während die Leute mit herzhaftem Appetit die Speisen verputzten.
    Kindan nahm sich einen Teller und suchte sich ein
    ruhiges Plätzchen abseits vom allgemeinen Rummel,
    damit man ihn nicht mit weiteren Aufgaben plagte.
    Derweil er sich an dem pikant gewürzten Wherry—
    fleisch gütlich tat - das Rezept stammte von seiner Schwester und mundete ihm persönlich am besten -und dazu frisch gepressten Beerensaft trank, hielt er Augen und Ohren offen. Seine Blicke huschten mal hierhin, mal dorthin, und er bemühte sich, jeden Gesprächsfetzen aufzuschnappen, teils, um unliebsamen Störungen zu entgehen - falls jemand ihm eine Arbeit auftragen wollte -, teils, um interessante

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