Drachenwege
Bergwerk ist er viel zu groß.«
* * *
Jemand rüttelte Kindan wach. Verstört riss er die Augen auf und merkte, dass er auf seinem Posten am Ausguck eingenickt war. Es war tiefe Nacht. Das Signalfeuer brannte noch lichterloh, weil Kindan Feuerholz nachgelegt hatte, und daraus schloss er, dass er höchstens ein, zwei Stunden geschlafen haben konnte.
Die Person, die ihn geweckt hatte, trug lederne Kleidung - es handelte sich um einen Drachenreiter.
»Mein Lord«, grüßte Kindan geistesgegenwärtig und verbeugte sich andeutungsweise. Über ihm ertönte ein leises Schnauben. Er drehte sich um, reckte den Kopf und erkannte die schattenhaften Umrisse eines Drachen, der ihn aus seinen großen Facettenaugen interessiert musterte. »Ich bin Kindan. Meister Zist trug mir auf, Wache zu halten ...«
Der Drachenreiter lächelte. Er war kein junger Mann mehr, Kindan schätzte, dass er ungefähr so alt sein musste wie Meister Zist. Das Licht von dem brennenden Holzstoß spiegelte sich auf den silbernen Strähnen in seinem Haar. Die Augen waren bernsteinfarben, und alles in allem sah er genauso aus, wie Kindan sich einen Drachenreiter vorgestellt hatte. Nur waren die Drachenreiter, die er sich in seiner Phantasie ausgemalt hatte, stets jünger gewesen.
»Nun, Kindan«, erwiderte der Mann, »dann lauf zu Meister Zist und sag ihm, M'tal sei hier.«
»Das ist nicht mehr nötig«, rief eine Stimme aus dem Dunkel, und Kindan erschrak. »Und hör auf, so nervös herumzuzappeln, Junge, das macht dich nur müde.«
»Mir scheint, er ist bereits erschöpft«, warf M'tal ein.
Meister Zist trat in den Lichtkreis. »Das dachte ich mir«, bestätigte er, »deshalb kam ich hierher, um ihm ein wenig Gesellschaft zu leisten.«
»Bist du schon lange hier?«, erkundigte sich Kindan verdutzt.
»Ja, aber ich hielt mich ein wenig abseits. Ich wollte deinen Schlummer nicht stören«, entgegnete der Harfner vergnügt.
Beide Männer lachten.
»So verhält sich jemand, der es gewöhnt ist, Menschen zu führen«, erklärte M'tal. »Es kann niemals schaden, einen Wachposten hin und wieder zu überprüfen.«
Stirnrunzelnd wandte sich M'tal danach an den Harfner. »Als ich deinen Ruf erhielt, war ich sehr erstaunt. Ich hatte angenommen, du seist in der Harfnerhalle. Bei der Gelegenheit möchte ich dir sagen, wie Leid es mir tut, dass du diesen Verlust erleiden musstest.«
»Danke«, antwortete Meister Zist ernst. Doch dann wechselte er sogleich das Thema. »Ich freue mich, dass du gekommen bist. Ich möchte dich um einen Gefallen bitten.«
Fragend hob M'tal die Augenbrauen. »Diese ... diese
... Siedlung ...« Er brach ab und deutete auf die An-
sammlung von Hütten im Tal.
»Es ist ein Bergabeitercamp«, half Zist aus.
M'tal nickte. »Dieses Camp ist Burg Telgar unterstellt, nicht wahr?« Dabei sah er Kindan an.
»So ist es, mein Lord«, bestätigte der Junge.
»Weyrführer D'gan war leider nicht bereit, uns zu helfen«, sagte Zist. »Im Gegenteil, er hielt unser Ansinnen für eine Unverschämtheit und wollte seine kostbare Zeit nicht mit uns verschwenden.«
M'tal kniff die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. »Und wie lautet eure Bitte?«
»Obersteiger Natalon, der Leiter dieses Camps, bittet um einen Transport. Es geht darum, ihn selbst, mich und Kindan zu Aleesa, der Whermeisterin, zu bringen«, erläuterte Zist.
»Wieso Kindan? Einen Jungen?«, staunte der Drachenreiter.
»Die Whermeisterin erhält vom Camp Natalon den Kohlenvorrat für einen Winter, wenn sie uns dafür das Ei eines Wachwhers überlässt. Kindan soll sich um das Tier kümmern.« Als Meister Zist merkte, dass M'tals Interesse geweckt war, fügte er hinzu: »Kindans Vater war in diesem Camp der Wachwher-Führer. Und nun soll der Junge in seine Fußstapfen treten.«
»Ich verstehe«, entgegnete M'tal. »Und wann soll das Treffen mit Aleesa stattfinden?«
»Es war bereits für gestern angesetzt«, grollte der Harfner.
* * *
»Was, gestern schon?«, empörte sich Natalon ein Weilchen später und schlug mit der Faust auf den Tisch.
Sie befanden sich im großen Speisesaal des Camps.
»Gestern? Ich habe Kohle für einen ganzen Winter aufs Spiel gesetzt, und gestern lief die Frist für diesen Handel ab?«
M'tal war so klug gewesen, seinen Becher mit Klah anzuheben, ehe Natalon seinen Wutausbruch bekam.
Doch Kindan und Meister Zist hatten nicht mit dieser heftigen Reaktion gerechnet. Als der kräftige Steiger mehrmals die Fäuste auf die Tischplatte
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