Dracyr – Das Herz der Schatten
betraf. Sie zog sein Gesicht zu sich hinab und küsste ihn. Bisher war immer er es gewesen, der sie geküsst hatte: als Bestrafung, als Werkzeug, um ihr zu zeigen, dass er sie beherrschte⦠aber auch zärtlich und beinahe schüchtern, kindlich und vorsichtig. Doch dieser Kuss, den sie ihm nun gab, war alles andere als schüchtern oder kindlich.
Nach einem winzigen Moment des Zögerns, der Verwunderung löste sich Damians Widerstand auf. Er küsste sie leidenschaftlich und sein Atem wurde schneller. Kay drängte alle Befürchtungen, alle Vorbehalte, jede Sorge beiseite und überlieà sich dem überwältigenden Gefühl, das Damians Nähe und seine Berührung in ihr hervorriefen. Wenn doch ohnehin alle dachten, dass sie und er ein Liebespaar waren, warum sollte sie sich dann noch zurückhalten? Sie wollte ihn spüren, sie wollte seine Hände auf ihrem Körper fühlen, sie wollte ihn berühren, das glatte, feste Spiel seiner Muskeln, seine warme Haut, sie wollte seinen Geruch tief einatmen und nie wieder verlieren, sie wollte sein Lächeln sehen, das so selten, so hell und so kostbar war. Sie liebte ihn.
Dieser Gedanke explodierte in ihrem Bewusstsein und lieà sie zurückprallen. Sie keuchte und schob Damian von sich weg. » Nein « , sagte sie erstickt. » Wir sollten das nicht tun. Damian, verzeih mir. «
Er hielt sie fest, zog sie wieder an seine Brust. Sein Mund war an ihrem Ohr, als er flüsterte: » Bleib bei mir, Kay. Du bist die Einzige, die⦠niemand auÃer dir interessiert sich dafür, wie es mir geht. «
Sie war wider Willen gerührt. Der Kampf in ihrem Inneren, der sich zwischen ihren Gefühlen für ihn, ihrem Hass auf alles, was der Dracyrlord repräsentierte und ihrer Loyalität zu Bradan abspielte, zerriss sie schier in Stücke, aber sie hob die Hand und streichelte über Damians Gesicht. » Ich bin bei dir « , sagte sie. » Versprich mir, dass du nicht⦠« Sie verstummte. Was sollte er ihr versprechen? Sie nicht zu verraten? Nicht wieder kalt und abweisend zu sein? Sie nicht zu opfern, wenn sein Vater es ihm befahl? Kay schüttelte den Kopf und schob ihn wieder weg, aber sie lächelte ihn dabei an. Das Lächeln fiel ihr schwer. » Es ist gut « , sagte sie. » Du bist, wer du bist. «
Seine Augen verdunkelten sich. » Das klingt wie ein Vorwurf. «
Kay hob die Schultern. Er hatte recht. » Sollten wir nicht an unsere Ãbungsstunde gehen? «
Er nickte steif und erhob sich, wobei er ihr die Hand reichte, um ihr aufzuhelfen. Kay ergriff sie und folgte ihm aus dem Nest. Hand in Hand gingen sie durch die Haupthöhle und Kay genoss den warmen, festen Druck seiner Finger.
Damian wirkte nachdenklich. » Ruf Gormydas « , sagte er nach einer Weile unvermittelt, und Kay, die etwas anderes erwartet hatte, nickte enttäuscht. Sie öffnete ihren Geist für den Ruf und hieà den Dracer voller Liebe willkommen, als er darauf reagierte. » Er ist bei mir « , sagte sie halblaut.
Damian blieb stehen und legte seine Hände auf ihre Schultern. » Verbinde dich mit ihm, als wolltest du ihn lenken « , sagte er. » Aber statt dessen gehe noch eine Ebene tiefer, verknüpfe deine Essenz mit der seinen. « Sein eindringlicher Blick wanderte über ihr Gesicht, verweilte auf ihrem Mund. Er lächelte. Kay hob die Hand, strich eine Strähne seines weichen, glatten Haars aus seiner Stirn. Es wickelte sich um ihren Finger, schneeweià und fedrig wie eine Daune. Damians Blick wurde tief und dunkel, intensiv wie das glühende Herz einer Sonne. Kay senkte hastig den Blick und konzentrierte sich auf Gormydas, verflocht ihr Wesen mit seinem, lieà alle Kay-Gedanken fallen und versenkte sich tief und noch tiefer in das Innerste des Dracer.
Als sie aufblickte, lächelte Damian und rieb mit dem Daumen über ihre Wange. » Dracyraugen « , sagte er. » Du bist meine Meisterschülerin, Karolyn Dâ¦Donne. «
Kay registrierte das kleine Zögern, bevor er ihren Namen aussprach, aber sie schob das Unbehagen, das sie darüber empfand, beiseite. Das prickelnde, erregende Gefühl, die Dracerpräsenz so tief in sich zu spüren, lieà das Blut schneller durch ihre Adern rauschen und intensivierte jeden Sinneseindruck bis zur Grenze, wo er schmerzhaft wurde. Wie es wohl wäre, Damian jetzt zu küssen?
» Nein « , sagte er und schob sie
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