Dramatische Werke
jetzt nicht
Auf Euer Recht, jetzo ist nicht die Stunde.
Maria.
Ach mein Verderben hab ich mir erfleht,
Und mir zum Fluche wird mein Flehn erhört!
Nie hätten wir uns sehen sollen, niemals!
Daraus kann nimmer, nimmer Gutes kommen!
Eh' mögen Feu'r und Wasser sich in Liebe
Begegnen und das Lamm den Tiger küssen –
Ich bin zu schwer verletzt – sie hat zu schwer
Beleidgt – Nie ist zwischen uns Versöhnung!
Shrewsbury.
Seht sie nur erst von Angesicht!
Ich sah es ja, wie sie von Eurem Brief
Erschüttert war, ihr Auge schwamm in Tränen.
Nein, sie ist nicht gefühllos, hegt Ihr selbst
Nur besseres Vertrauen – Darum eben
Bin ich vorausgeeilt, damit ich Euch
In Fassung setzen und ermahnen möchte.
Maria (seine Hand ergreifend).
Ach Talbot! Ihr wart stets mein Freund – daß ich
In Eurer milden Haft geblieben wäre!
Es ward mir hart begegnet, Shrewsbury!
Shrewsbury.
Vergeßt jetzt alles. Darauf denkt allein,
Wie Ihr sie unterwürfig wollt empfangen.
Maria.
Ist Burleigh auch mit ihr, mein böser Engel?
Shrewsbury.
Niemand begleitet sie als Graf von Leicester.
Maria.
Lord Leicester!
Shrewsbury.
Fürchtet nichts von ihm. Nicht er
Will Euren Untergang – Sein Werk ist es,
Daß Euch die Königin die Zusammenkunft
Bewilligt.
Maria.
Ach! Ich wußt' es wohl!
Shrewsbury.
Was sagt Ihr?
Paulet.
Die Königin kommt!
(Alles weicht auf die Seite; nur Maria bleibt, auf die Kennedy gelehnt.)
Vierter Auftritt
Die Vorigen. Elisabeht . Graf Leicester . Gefolge.
Elisabeth (zu Leicester).
Wie heißt der Landsitz?
Leicester.
Fotheringhayschloß.
Elisabeth (zu Shrewsbury).
Schickt unser Jagdgefolg' voraus nach London,
Das Volk drängt allzuheftig in den Straßen,
Wir suchen Schutz in diesem stillen Park.
(Talbot entfernt das Gefolge. Sie fixiert mit den Augen die Maria, indem sie zu Paulet weiterspricht.)
Mein gutes Volk liebt mich zu sehr. Unmäßig,
Abgöttisch sind die Zeichen seiner Freude,
So ehrt man einen Gott, nicht einen Menschen.
Maria (welche diese Zeit über halb ohnmächtig auf die Amme gelehnt war, erhebt sich jetzt, und ihr Auge begegnet dem gespannten Blick der Elisabeth. Sie schaudert zusammen und wirft sich wieder an der Amme Brust).
O Gott, aus diesen Zügen spricht kein Herz!
Elisabeth.
Wer ist die Lady?
(Ein allgemeines Schweigen.)
Leicester.
– Du bist zu Fotheringhay, Königin.
Elisabeth (stellt sich überrascht und erstaunt, einen finstern Blick auf Leicester richtend).
Wer hat mir das getan? Lord Leicester!
Leicester.
Es ist geschehen, Königin – Und nun
Der Himmel deinen Schritt hierhergelenkt,
So laß die Großmut und das Mitleid siegen.
Shrewsbury.
Laß dich erbitten, königliche Frau,
Dein Aug' auf die Unglückliche zu richten,
Die hier vergeht vor deinem Anblick.
(Maria rafft sich zusammen und will auf die Elisabeth zugehen, steht aber auf halbem Weg schaudernd still, ihre Gebärden drücken den heftigste Kampf aus.)
Elisabeth.
Wie, Mylords?
Wer war es denn, der eine Tiefgebeugte
Mir angekündigt? Eine Stolze find ich,
Vom Unglück keineswegs geschmeidigt.
Maria.
Sei's!
Ich will mich auch noch diesem unterwerfen.
Fahr hin, ohnmächt'ger Stolz der edeln Seele!
Ich will vergessen, wer ich bin, und was
Ich litt; ich will vor ihr mich niederwerfen,
Die mich in diese Schmach herunterstieß.
(Sie wendet sich gegen die Königin.)
Der Himmel hat für Euch entschieden, Schwester!
Gekrönt vom Sieg ist Euer glücklich Haupt,
Die Gottheit bet ich an, die Euch erhöhte!
(Sie fällt vor ihr nieder.)
Doch seid auch Ihr nun edelmütig, Schwester!
Laßt mich nicht schmallvoll liegen, Eure Hand
Streckt aus, reicht mir die königliche Rechte,
Mich zu erheben von dem tiefen Fall.
Elisabeth (zurücktretend).
Ihr seid an Eurem Platz, Lady Maria!
Und dankend preis ich meines Gottes Gnade,
Der nicht gewollt, daß ich zu Euren Füßen
So liegen sollte, wie Ihr jetzt zu meinen.
Maria (mit steigendem Affekt).
Denkt an den Wechsel alles Menschlichen!
Es leben Götter, die den Hochmut rächen!
Verehret, fürchtet sie, die schrecklichen,
Die mich zu Euren Füßen niederstürzen –
Um dieser fremden Zeugen willen, ehrt
In mir Euch selbst, entweihet, schändet nicht
Das Blut der Tudor, das in meinen Adern
Wie in den Euren fließt – O Gott im Himmel!
Steht nicht da, schroff und unzugänglich, wie
Die Felsen klippe, die der Strandende
Vergeblich ringend zu erfassen strebt.
Mein Alles hängt, mein Leben, mein Geschick
An meiner Worte, meiner Tränen Kraft:
Löst mir das Herz, daß
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