Hör mal, Oma! Ich erzähle Dir eine Geschichte vom Advent (German Edition)
Die Überraschungstanne im Garten von Oma Klein
Vor einigen Jahren hatte ein Eichhörnchen einen Tannenzapfen in Oma Kleins Vorgarten vergraben und vergessen. Oma Klein staunte, als ein Jahr später ein Tännchen aus der Erde lugte.
„Eine Überraschungstanne!“, freute sie sich. „Hast du dir meinen Garten als dein Zuhause ausgesucht? Wie schön!“
In den nächsten Jahren pflegte sie das kleine Bäumchen ganz besonders. Sie sprach auch mit ihm, so wie sie es mit allen Blumen und Bäumen tat. Die Tanne dankte es ihr und wuchs zu einem prächtigen Tannenbäumchen heran. In diesem Jahr war sie schon so hoch, dass sie Oma Klein um Haupteslänge überragte.
„Das müssen wir feiern!“, beschloss Oma Klein, als der Herbst kam. „Und du wirst eine Überraschungs-Weihnachtstanne sein.“
Oma Klein gefiel dieser Gedanke, sie hatte auch viele Ideen für die Weihnachtszeit. Und viel zu tun gab es dann auch. Sie backte und strickte lustige kunterbunte Strümpfe aus Wollresten, die sie in Kisten im Dachboden aufbewahrte. Sie strickte, wann immer sie Zeit dazu fand, und als der Advent kam, lagen viele Strümpfe in ihrem Strickkorb. Toll sahen die aus. Und eine der alten Wollkisten war nun fast leer. Nur ein goldenes Wollknäuel lag einsam in einer Ecke der Kiste.
„Goldene Wolle?“ Oma Klein wunderte sich. „Nie habe ich eine Strickarbeit aus goldener Wolle angefertigt. Nein, ich kann mich nicht erinnern. Seltsam.“
Sie griff nach dem ‚Wollknäuel‘. Es fühlte sich hart an und doch irgendwie auch zart und zerbrechlich und so gar nicht nach Wolle.
Oma Klein umfasste das ‚Knäuel,‘ schloss es in ihre Hände, und ihr Herz begann heftig zu klopfen. Es war eine alte Christbaumkugel. Oma Klein hatte sie damals, als sie ein Kind war, von ihrer Großmutter geschenkt bekommen.
Oh, wie sehr freute sie sich nun über diesen Fund!
„Da steckst du, kleine Kugel!“, sagte sie mit zärtlicher Stimme. „Lange habe ich nach dir gesucht. Als ich klein war, glaubte ich, du seist eine Zauberkugel. Und nun hat das Glück dich zu mir zurück gezaubert. Wie schön!“
Viele Erinnerungen brachte die kleine Kugel wieder in ihr Leben. Oma Klein war glücklich. Und glücklich machte sie sich an diesem Abend im frühen Advent ans Werk: Jedes Paar Strümpfe füllte sie mit Lebkuchenherzen und kleinen Goldkugeln aus Schokolade. Dann hängte sie die Strümpfe in die Zweige der Überraschungstanne im Vorgarten.
Toll sah die kleine Tanne nun aus!
„Toll!“, sagte auch Oma Klein und hängte zum Schluss die goldene Christbaumkugel an einen der oberen Zweige gleich neben die Baumspitze.
„Diese Kugel ist mir eine ebenso wundervolle Überraschung wie du es bist“, erzählte sie der Tanne. „Sie gehört von nun an dir und soll jedes Jahr im Advent auch hier bei dir sein.“
Sie trat einen Schritt zurück und betrachtete die Kugel, die im Licht des Mondes hell schimmerte, dachte an ihr Leben als kleines Mädchen zurück und lächelte. Sie freute sich.
Die Kinder der Straße freuten sich auch, als sie am nächsten Tag die bunte Überraschungstanne in Oma Kleins Vorgarten entdeckten. Noch größer war die Freude, als jedes von ihnen einen der Überraschungsstrümpfe von der Tanne „abpflücken“ durfte, während Oma Klein lächelte und der Tanne mit der Goldkugel zuzwinkerte.
Der Streit der Adventskerzen
In diesem Jahr zum ersten Advent hatten die Kerzen am Adventskranz einen bösen Streit. Jede nämlich wollte ihr Licht für das Weihnachtsfest aufsparen.
„Nein“, schimpfte die erste Kerze. „Ich bin doch nicht dämlich und brenne alleine vor mich hin, während ihr euch euer Licht spart und für das Weihnachtsfest aufbewahrt?“
Da keifte die zweite Kerze los: „Was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem andern zu! Also, ich werde auch nicht die erste sein. Klar?“
„Hoha!“, höhnte die dritte Kerze. „Aber wer, bitte, soll die Dumme sein? Ich kenne auch ein Sprichwort: ´Die letzten werden die ersten sein´, heißt es. Also, vierte Kerze, du bekommst den Vortritt!“
Davon aber wollte die vierte Kerze nichts wissen. „Ihr denkt, die letzten beißen die Hunde? Oh nein! Eure Sprichwörter könnt ihr euch an den Hut stecken!“
Und so stritten die vier Kerzen und stritten und stritten. Nachgeben wollte keine.
Da kam ein Kind ins Zimmer. Es nahm ein Streichholz und zündete alle vier Kerzen auf einmal an.
Die Kerzen heulten vor Schreck auf, dann aber hielten sie doch still und funkelten
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