Dramatische Werke
schändlichen Verrat
Vernahm, das unglückselige Geschick
Des werten Jünglings, der sich ihr geopfert,
Des alten Ritters tiefen Jammer sah,
Dem seine letzte Hoffnung starb durch sie –
Da flossen ihre Tränen: nicht das eigne Schicksal,
Der fremde Jammer preßte sei ihr ab.
Melvil.
Wo ist sie jetzt? Könnt Ihr mich zu ihr bringen?
Kennedy.
Den Rest der Nacht durchwachte sie mit Beten,
Nahm von den teuern Freunden schriftlich Abschied
Und schrieb ihr Testament mit eigner Hand.
Jetzt pflegt sie einen Augenblick der Ruh',
Der letzte Schlaf erquickt sie.
Melvil.
Wer ist bei ihr?
Kennedy.
Ihr Leibarzt Burgoyn und ihre Frauen.
Zweiter Auftritt
Margareta Kurl zu den Vorigen.
Kennedy.
Was bringt Ihr, Mistreß? Ist die Lady wach?
Kurl (ihre Tränen trocknend).
Schon angekleidet – Sie verlangt nach Euch.
Kennedy.
Ich komme.
(Zu Melvil, der sie begleiten will.)
Folgt mir nicht, bis ich die Lady
Auf Euren Anblick vorbereitet. (Geht hinein.)
Kurl.
Melvil!
Der alte Haushofmeister!
Melvil.
Ja, der bin ich!
Kurl.
O dieses Haus braucht keines Meisters mehr!
– Melvil! Ihr kommt von London, wißt Ihr mir
Von meinem Manne nichts zu sagen?
Melvil.
Er wird auf freien Fuß gesetzt, sagt man,
Sobald –
Kurl.
Sobald die Königin nicht mehr ist!
O der nichtswürdig schändliche Verräter!
Er ist der Mörder dieser teuren Lady,
Sein Zeugnis, sagt man, habe sie verurteilt.
Melvil.
So ist's.
Kurl.
O seine Seele sei verflucht
Bis in die Hölle! Er hat falsch gezeugt –
Melvil.
Mylady Kurl! Bedenket Eure Reden.
Kurl.
Beschwören will ich's vor Gerichtes Schranken,
Ich will es ihm ins Antlitz wiederholen,
Die ganze Welt will ich damit erfüllen.
Sie stirbt unschuldig –
Melvil.
O das gebe Gott!
Dritter Auftritt
Burgoyn zu den Vorigen. Hernach Hanna Kennedy .
Burgoyn (erblickt Melvil).
O Melvil!
Melvil (ihn umarmend).
Burgoyn!
Burgoyn (zur Margareta Kurl).
Besorget einen Becher
Mit Wein für unsre Lady. Machet hurtig.
(Kurl geht ab.)
Melvil.
Wie? Ist der Königin nicht wohl?
Burgoyn.
Sie fühlt sich stark, sie täuscht ihr Heldenmut,
Und keiner Speise glaubt sie zu bedürfen;
Doch ihrer wartet noch ein schwerer Kampf,
Und ihre Feinde sollen sich nicht rühmen,
Daß Furcht des Todes ihre Wangen bleichte,
Wenn die Natur aus Schwachheit unterliegt.
Melvil (zur Amme, die hereintritt).
Will sie mich sehn?
Kennedy.
Gleich wird sie selbst hier sein.
– Ihr scheint Euch mit Verwundrung umzusehn,
Und Eure Blicke fragen mich: was soll
Das Prachtgerät in diesem Ort des Todes?
– O Sir! Wir litten Mangel, da wir lebten,
Erst mit dem Tode kommt der Überfluß zurück.
Vierter Auftritt
Vorige. Zwei andre Kammerfrauen der Maria, gleichfalls in Trauerkleidern. Sie brechen bei Melvils Anblick in laute Tränen aus.
Melvil.
Was für ein Anblick! Welch ein Wiedersehn!
Gertrude! Rosamund!
Zweite Kammerfrau.
Sie hat uns von sich
Geschickt! Sie will zum letztenmal allein
Mit Gott sich unterhalten!
(Es kommen noch zwei weibliche Bediente, wie die vorigen in Trauer, die mit stummen Gebärden ihren Jammer ausdrücken.)
Fünfter Auftritt
Margareta Kurl zu den Vorigen. Sie trägt einen goldnen Becher mit Wein und setzt ihn auf den Tisch, indem sie sich bleich und zitternd an einen Stuhl hält.
Melvil.
Was ist Euch, Mistreß? Was entsetzt Euch so?
Kurl.
O Gott!
Burgoyn.
Was habt Ihr?
Kurl.
Was mußt' ich erblicken!
Melvil.
Kommt zu Euch! Sagt uns, was es ist.
Kurl.
Als ich
Mit diesem Becher Wein die große Treppe
Heraufstieg, die zur untern Halle führt,
Da tat die Tür sich auf – ich sah hinein –
Ich sah – o Gott!
Melvil.
Was saht Ihr? Fasset Euch!
Kurl.
Schwarz überzogen waren alle Wände,
Ein groß Gerüst, mit schwarzem Tuch beschlagen,
Erhob sich von dem Boden, mittendrauf
Ein schwarzer Block, ein Kissen und daneben
Ein blankgeschliffnes Beil – Voll Menschen war
Der Saal, die um das Mordgerüst sich drängten
Und, heiße Blutgier in dem Blick, das Opfer
Erwarteten.
Die Kammerfrauen.
O Gott sei unsrer Lady gnädig!
Melvil.
Faßt euch! Sie kommt!
Sechster Auftritt
Die Vorigen. Maria . Sie ist weiß und festlich gekleidet, am Halse trägt sie an einer Kette von kleinen Kugeln ein Agnus Dei, ein Rosenkranz hängt am Gürtel herab, sie hat ein Kruzifix in der Hand und ein Diadem in den Haaren, ihr großer schwarzer Schleier ist zurückgeschlagen. Bei ihrem Eintritt weichen die Anwesenden zu bei den Seiten zurück und drücken den heftigsten Schmerz aus. Melvil ist mit einer
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