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Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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bei einem alten Uhu. Aber allmählich gelang es ihr, klarer zu werden. Entschlossen trat sie einen Schritt vor. »Herr Lohkamp – Mensch is nur Mensch – erst hab' ich nur dran gerochen – und dann einen Schluck genommen – weil mir im Magen doch immer so flau is – ja, und dann – dann muß mir der Satan geritten haben. Man soll ein armes Weib auch nicht in Versuchung führen und die Pulle stehenlassen.«
     Es war nicht das erstemal, daß ich sie so traf. Sie kam jeden Morgen zwei Stunden zum Aufräumen in die Werkstatt, und man konnte ruhig so viel Geld umherliegen lassen, wie man wollte, sie rührte es nicht an – aber hinter Schnaps war sie her wie die Ratte hinterm Speck.
     Ich nahm die Flasche hoch. »Natürlich, den Kognak für die Kunden haben Sie nicht angerührt – aber den guten von Herrn Köster haben Sie weggeputzt.«
     Ein Grinsen huschte über Mathildes verwitterte Züge. »Alles, was recht is – Kenner bin ich. Aber werden Sie mir verraten, Herr Lohkamp? Eine schutzlose Witwe?«
     Ich schüttelte den Kopf. »Heute nicht.«
     Sie ließ ihre Röcke herunter. »Dann werd' ich mir mal verdrücken. Wenn Herr Köster kommt – heiliges Donnerwetter!«
     Ich ging zum Schrank und schloß ihn auf. »Mathilde...«
     Sie watschelte eilig heran. Ich hielt eine braune, viereckige Flasche hoch.
     Protestierend hob sie die Hände. »Das bin ich nich gewesen! Auf Ehre! Den hab' ich nich angerührt!«
     »Weiß ich«, sagte ich und goß ein Glas voll ein. »Kennen Sie ihn denn?«
     »Und ob!« Sie leckte sich die Lippen. »Rum! Steinalter Jamaika!«
     »Schön. Dann trinken Sie das Glas mal aus!«
     »Ich?« Sie prallte zurück. »Herr Lohkamp, das ist zuviel! Das sind ja glühende Kohlen auf mein Haupt! Die olle Stoß säuft heimlich Ihren Kognak weg, und Sie spendieren ihr da noch einen Rum drauf. Sie sind ein Heiliger, sind Sie! Lieber tot, als so was annehmen!«
    »Na?« sagte ich und tat, als ob ich das Glas zurückzog.
     »Alsdann!« Sie griff eilig zu. »Man muß das Gute nehmen, wie es kommt. Auch wenn man's nicht versteht. Zum Wohle! Haben Sie vielleicht Geburtstag?«
     »Ja, Mathilde. Gut geraten.«
     »Was, wahrhaftig?« Sie umklammerte meine Hand und schüttelte sie. »Herzlichsten Glückwunsch! Zaster in Fülle! Herr Lohkamp« – sie wischte sich den Mund –, »ich bin so gerührt – darauf muß ich unbedingt noch einen zwitschern. Wo ich Ihnen doch gern hab' wie einen Sohn.«
     »Schön.«
     Ich schenkte ihr noch ein Glas ein. Sie kippte es herunter und verließ lobpreisend die Werkstatt.

    Ich packte die Flasche weg und setzte mich an den Tisch. Die blasse Sonne fiel durch das Fenster auf meine Hände. Merkwürdiges Gefühl, so ein Geburtstag, auch wenn man sich nichts draus machte. Dreißig Jahre – es hatte eine Zeit gegeben, da glaubte ich, nie zwanzig werden zu können, so
    weit weg erschien mir das. Und dann...
     Ich zog einen Briefbogen aus dem Fach und fing an zu rechnen. Die Kinderzeit, die Schule – das war ein Komplex, fern, irgendwo, schon nicht mehr wahr. Das richtige Leben begann erst 1916. Da war ich gerade Rekrut geworden, dünn, hochgeschossen, achtzehn Jahre alt, und übte nach dem Kommando eines schnauzbärtigen Unteroffiziers auf den Sturzäckern hinter der Kaserne Hinlegen und Aufstehen. An einem der ersten Abende kam meine Mutter in die Kaserne, um mich zu besuchen; aber sie mußte über eine Stunde auf mich warten. Ich hatte meinen Tornister nicht vorschriftsmäßig gepackt gehabt und mußte deshalb in der freien Zeit zur Strafe die Latrinen scheuern. Sie wollte mir helfen, aber das durfte sie nicht. Sie weinte, und ich war so müde, daß ich einschlief, als sie noch bei mir saß.
     1917. Flandern. Middendorf und ich hatten in der Kantine eine Flasche Rotwein gekauft. Damit wollten wir feiern. Aber wir kamen nicht dazu. Frühmorgens fing das schwere Feuer der Engländer an. Köster wurde mittags verwundet. Meyer und Deters fielen nachmittags. Und abends, als wir schon glaubten, Ruhe zu haben, und die Flasche aufmachten, kam Gas und quoll in die Unterstände. Wir hatten zwar rechtzeitig die Masken auf, aber die von Middendorf war kaputt. Als er es merkte, war es zu spät. Bis sie abgerissen und eine neue gefunden war, hatte er schon zuviel Gas geschluckt und brach bereits Blut. Er starb am nächsten Morgen, grün und schwarz im Gesicht. Sein Hals war ganz zerrissen – so hatte er mit den Nägeln versucht, ihn aufzukratzen, um Luft zu

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