Drei Kameraden
kommt ein Opfer.«
Hinter uns hupte ungeduldig ein schwerer Buick. Er holte rasch auf. Bald lagen die Kühler nebeneinander. Der Mann am Steuer sah lässig herüber. Sein Blick streifte von oben herab den ruppigen Karl. Dann wendete er sich ab und hatte uns schon vergessen.
Ein paar Sekunden später mußte er feststellen, daß Karl sich immer noch auf gleicher Höhe mit ihm befand. Er rückte sich etwas zurecht, blickte uns amüsiert an und gab Gas. Aber Karl wankte nicht. Wie ein Terrier neben einer Dogge hielt er sich weiter klein und flink neben der strahlenden Lokomotive aus Nickel und Lack.
Der Mann faßte das Steuerrad fester. Er war vollkommen ahnungslos und verzog spöttisch die Lippen. Man sah, daß er uns jetzt zeigen wollte, was sein Schlitten leistete. Er trat so kräftig auf den Gashebel, daß der Auspuff zwitscherte wie ein Feld voll Lerchen im Sommer. Doch es nutzte nichts; er kam nicht vorbei. Wie verhext klebte Karl häßlich und unscheinbar an seiner Seite. Der Mann starrte erstaunt zu uns herunter. Er begriff nicht, daß bei einem Tempo von über hundert Kilometern der altmodische Kasten unter ihm nicht abzuschütteln war. Verwundert blickte er auf seinen Tachometer, als könne der nicht stimmen. Dann gab er Vollgas.
Die Wagen rasten jetzt genau nebeneinander über die lange, gerade Chaussee. Nach ein paar hundert Metern kam ein Lastwagen aus der entgegengesetzten Richtung angetost. Der Buick mußte hinter uns zurück, um auszuweichen. Kaum war er wieder neben Karl, da fegte ein Beerdigungsauto mit wehenden Kranzschleifen heran, und er mußte abermals zurück. Dann wurde die Sicht frei.
Der Mann am Steuer hatte inzwischen all seinen Hochmut verloren; ärgerlich, die Lippen zusammengepreßt, saß er vorgebeugt da – das Rennfieber hatte ihn gepackt, und plötzlich hing die Ehre seines Lebens davon ab, um keinen Preis gegen den Kläffer neben sich klein beizugeben.
Wir dagegen hockten scheinbar gleichgültig auf unseren Sitzen. Der Buick existierte für uns gar nicht. Köster blickte ruhig auf die Straße, ich schaute gelangweilt in die Luft; und Lenz, obschon er ein Bündel Spannung war, zog eine Zeitung hervor und tat, als ob es nichts Wichtigeres für ihn gäbe, als gerade jetzt zu lesen.
Ein paar Minuten später blinzelte Köster uns zu. Karl verlor unmerklich an Tempo, und der Buick rückte langsam vor. Seine breiten, blinkenden Kotflügel drückten sich an uns vorbei. Der Auspuff donnerte uns blauen Qualm in die Gesichter. Allmählich gewann er ungefähr zwanzig Meter – da erschien auch schon das Gesicht des Besitzers im Fenster und grinste offenen Triumph. Er glaubte gewonnen zu haben.
Aber der Mann tat noch ein übriges. Er konnte sich eine Revanche nicht verkneifen. Er winkte uns zu, doch nachzukommen. Er winkte sogar besonders nachlässig und siegessicher. »Otto!« sagte Lenz mahnend.
Aber er brauchte nichts zu sagen. Karl machte im selben Moment schon einen Sprung. Der Kompressor pfiff los. Und plötzlich verschwand die winkende Hand im Fenster – denn Karl folgte der Aufforderung; er kam. Er kam sogar unaufhaltsam, er holte alles wieder auf – und nun, zum ersten Male, nahmen wir Notiz von dem fremden Wagen. Unschuldig fragend schauten wir hinauf zu dem Mann am Steuer; wir wollten gerne wissen, weshalb er uns gewinkt hatte. Doch der sah krampfhaft nach der anderen Seite, und Karl zog jetzt erst mit vollem Gas davon, starrend vor Schmutz, mit wehenden Kotflügeln, ein siegreicher Dreckfink.
»Gut gemacht, Otto«, sagte Lenz zu Köster. »Dem Mann wird sein Abendbrot nicht schmecken.«
Diese Jagden waren der Grund, weshalb wir Karls Karosserie nicht änderten. Er brauchte nur auf der Straße zu erscheinen – sofort versuchte jemand, ihn abzuhängen. Auf andere Wagen wirkte er wie eine flügellahme Krähe auf ein Rudel hungriger Katzen. Er reizte die friedlichsten Familienkutschen zum Überholen, und selbst die behäbigsten Vollbärte wurden unwiderstehlich vom Rennehrgeiz gepackt, wenn sie sein klappriges Fahrgestell vor sich auf und nieder tanzen sahen. Wer konnte auch ahnen, daß in dieser lächerlichen Gestalt das große Herz
eines Rennmotors schlug!
Lenz behauptete, Karl wirke erzieherisch. Er lehre die Leute Ehrfurcht vor dem Schöpferischen, das immer in einer unscheinbaren Hülle stecke. Das sagte Lenz, der von sich ebenfalls behauptete, er wäre der letzte Romantiker.
Wir hielten vor einem kleinen Gasthaus und kletterten aus
dem Wagen.
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