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Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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können; wie sollte man sonst leben.«
    »Gewiß...«
     Es entstand eine Pause. Ich blickte zu Lenz hinüber. Doch der letzte Romantiker grinste nur, zuckte mit der Nase und ließ mich im Stich. Die Birken raschelten. Ein Huhn gackerte hinter dem Hause.
     »Wunderbares Wetter«, sagte ich endlich, um das Schweigen zu unterbrechen.
     »Ja, herrlich«, erwiderte das Mädchen.
     »Und so milde«, fügte Lenz hinzu.
     »Sogar ungewöhnlich milde«, ergänzte ich.
     Es entstand eine neue Pause. Das Mädchen mußte uns für ziemliche Schafsköpfe halten; aber mir fiel beim besten Willen nichts mehr ein. Lenz schnupperte in die Gegend. »Geschmorte Äpfel«, sagte er gefühlvoll, »es scheint auch geschmorte Äpfel zur Leber zu geben. Eine Delikatesse.«
     »Ohne Zweifel«, gab ich zu und verfluchte uns beide.

     Köster und Binding kamen zurück. Binding war in den paar Minuten ein ganz anderer Mann geworden. Er schien einer dieser Autonarren zu sein, die ganz selig sind, wenn sie irgendwo einen Fachmann finden, mit dem sie reden können.
     »Wollen wir zusammen essen?« fragte er.
    »Selbstverständlich«, erwiderte Lenz.
     Wir gingen hinein. Unter der Tür blinzelte Gottfried mir zu und nickte zu dem Mädchen hinüber. »Du, die hebt das tanzende alte Weib von heute morgen zehnfach wieder auf...«
     Ich zuckte die Achseln. »Mag sein – aber warum hast du mich dann alleine herumstottern lassen?«
     Er lachte. »Mußt es doch auch mal lernen, Baby!«
     »Habe gar keine Lust mehr, was zu lernen«, sagte ich.
     Wir folgten den andern. Sie saßen schon am Tisch. Die Wirtin kam gerade mit der Leber und den Bratkartoffeln. Sie brachte außerdem eine große Flasche Kornschnaps als Einleitung mit.
     Binding erwies sich als wahrer Sturzbach von einem Redner. Es war erstaunlich, was er alles über Automobile zu sagen hatte. Als er hörte, daß Otto auch Rennen gefahren hatte, kannte seine Zuneigung überhaupt keine Grenzen mehr.
     Ich sah ihn mir genauer an. Er war ein schwerer, großer Mann mit dicken Augenbrauen über einem roten Gesicht; etwas prahlerisch, etwas lärmend, und wahrscheinlich gutmütig, wie Leute, die im Leben Erfolg haben. Ich konnte mir vorstellen, daß er sich abends vor dem Schlafengehen ernst, würdig und achtungsvoll in einem Spiegel betrachtete.
     Das Mädchen saß zwischen Lenz und mir. Es hatte den Mantel ausgezogen und trug darunter ein graues englisches Kostüm. Um den Hals hatte es ein weißes Tuch geknüpft, das aussah wie eine Reitkrawatte. Ihr Haar war braun und seidig und hatte im Lampenlicht einen bernsteinfarbenen Schimmer. Die Schultern waren sehr gerade, aber etwas vorgebeugt, die Hände schmal, überlang und eher etwas knochig als weich. Das Gesicht war schmal und blaß, aber die großen Augen gaben ihm eine fast leidenschaftliche Kraft. Sie sah sehr gut aus, fand ich – aber ich dachte mir nichts weiter dabei.
     Lenz dagegen war jetzt Feuer und Flamme. Er war völlig verwandelt gegen vorhin. Sein gelber Schopf glänzte wie die Haube eines Wiedehopfs. Er ließ ein Feuerwerk von Einfällen los und beherrschte mit Bindung zusammen den Tisch. Ich saß nur so dabei und konnte mich wenig bemerkbar machen; höchstens einmal eine Schüssel reichen oder Zigaretten anbieten. Und mit Binding anstoßen. Das tat ich ziemlich oft.
     Lenz schlug sich plötzlich vor die Stirn: »Der Rum! Robby, hol mal unsern Geburtstagsrum!«
     »Geburtstag? Hat denn jemand Geburtstag?« fragte das Mädchen.
     »Ich«, sagte ich. »Ich werde schon den ganzen Tag damit verfolgt.«
     »Verfolgt? Dann wollen Sie also nicht, daß man Ihnen gratuliert?«
     »Doch«, sagte ich, »gratulieren ist was anderes.«
     »Also alles Gute!«
     Ich hielt einen Augenblick ihre Hand in meiner und spürte ihren warmen, trockenen Druck. Dann ging ich hinaus, um den Rum zu holen.
     Die Nacht stand groß und schweigend um das kleine Haus. Die ledernen Sitze unseres Wagens waren feucht. Ich blieb stehen und sah nach dem Horizont, wo der rötliche Schein der Stadt am Himmel stand. Ich wäre gern noch draußen geblieben; aber ich hörte Lenz schon rufen.
     Binding vertrug den Rum nicht. Nach dem zweiten Glas merkte man es schon. Er schwankte in den Garten hinaus. Ich stand auf und ging mit Lenz an die Theke. Er verlangte eine Flasche Gin. »Großartiges Mädchen, was?« sagte er.
     »Weiß ich nicht, Gottfried«, erwiderte ich. »Habe nicht so drauf geachtet.«
     Er betrachtete mich eine Weile mit seinen irisierenden

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