0261 - Vom Teufel besessen
Sie hatte einen Blick dafür, wer bei ihr einkaufen wollte. Zumeist waren es Frauen. Wenn Männer mitkamen, dann traten sie erstens anders auf und besaßen zweitens auch immer einen leicht gequälten Gesichtsausdruck, weil ein Einkauf bei Isabella immer stark ins Geld ging.
Zweimal mußte sie Luft holen, bevor sie die Frage stellen konnte, die ihr auf dem Herzen lag. »Wer…wer sind Sie?«
Der Mann lächelte, bevor er einen Satz so locker dahinsagte. »Ich bin der Teufel!«
***
Ein Witzbold!
Diesen Gedanken hatte Isabella zuerst. Das kann nur ein Witzbold sein, der so etwas sagt. Sie wollte die passende Erwiderung geben, als sie schluckte.
Nein, der Mann nicht. Dieser Typ machte keine Scherze, dem war es ernst, er war gekommen, um etwas von ihr zu fordern.
Geld?
Ein Dieb, ein Einbrecher, ein Gangster. So mußte es sein. Sicherlich hatte es sich herumgesprochen, daß ihre täglichen Einnahmen nicht gerade gering waren, und Menschen waren schon für weniger als zehn Pfund in London umgebracht worden.
Irgendwann mußte es ja passieren. Bisher war alles gutgegangen, dank einer hervorragenden Alarmanlage, doch nun hatte man sie erwischt.
Gefährlich sah der Mann aus. Ihm war anzumerken, welch eine Macht er besaß. Mit einem Blick nur konnte er die Kontrolle über seine Mitmenschen bekommen.
Ein Teufel?
Isabella Norton hatte sich den Teufel immer anders vorgestellt. Als ein ziegenköpfiges bockbeiniges Wesen, das nach Schwefel stank, aber keinen dunkelgrauen Zweireiher mit Nadelstreifen trug, dazu ein weißes Hemd und eine dezent gestreifte Krawatte. Sein Haar war schwarz, ziemlich kurz geschnitten, dennoch dicht gelassen. Auf den Wangen glaubte die Frau, den Schatten eines Barts zu sehen. Wie zwei Striche wirkten die ebenfalls dunklen Augenbrauen, sie hoben sich von der helleren Haut stark ab, und die Pupillen der Augen erinnerten an düstere Perlen.
Sah so ein Dieb aus?
Auch diese Theorie brach innerhalb von Sekunden zusammen. Isabella Norton wollte daran nicht glauben, dieser Mann mußte einen anderen Grund für sein Kommen haben.
»Sie sind also der Teufel«, stellte sie mit rauher Stimme fest.
»Stimmt genau.«
»Und was wollen Sie hier?« Isabella hatte sich entschlossen, auf das Spiel einzugehen. »Gehören Sie nicht in die Hölle, Mr. Teufel?«
Ein knappes Lächeln umspielte die Lippen des Mannes. Die Augen erreichte es nicht. Sie blickten kalt und starr. »Aus der Hölle komme ich geradewegs«, erklärte er. »Und ich hatte mir vorgenommen, Sie zu besuchen.«
»Das ist gut.« Allmählich gewann Isabella ihre Fassung wieder zurück.
»Möchten Sie etwas kaufen? Vielleicht ein kleines Geschenk für Frau oder Freundin? Ich habe eigentlich schon geschlossen, aber für Sie mache ich eine Ausnahme.«
»Ich will nichts kaufen.«
»Was wollen Sie dann?« Isabella wurde wütend.
»Dich!«
Das Wort war scharf und hart ausgestoßen worden, und die Sicherheit der Boutique-Besitzerin brach zusammen wie ein Kartenhaus. Jetzt hatte sie wieder Angst, und sie ging unwillkürlich zwei Schritte zurück, wobei sie einen Arm hob. Ihre Hand preßte sie dorthin, wo sie den Herzschlag spüren konnte, der auf einmal seltsam hämmerte.
Reiß dich nur zusammen! Laß dich nicht verrückt machen! So dachte die Frau und atmete hart und heftig. Obwohl es ihr schwerfiel, überwand sie sich und sprach den vor ihr stehenden Kunden an.
»Verlassen Sie meinen Laden. Und zwar auf der Stelle. Ich will Sie hier nicht mehr sehen!«
Der Besucher lächelte nur spöttisch. Dann ging er vor, wobei der lindgrüne Teppichboden seine Schritte zur Lautlosigkeit dämpfte. Er blieb neben einem fahrbaren Ständer stehen, streckte seinen linken Arm aus und faßte nach einem Rock, der weit geschwungen war und dessen Stoff er durch die Finger laufen ließ.
»Wäre doch schade um das alles hier«, sprach er, ohne sich um die Aufforderung der Inhaberin zu kümmern.
»Ich rufe die Polizei!« stieß Isabella hervor.
»Bitte.«
Der Mann deutete mit der Hand auf den kleinen Holzschreibtisch, auf dem unter anderem auch das Telefon stand.
Isabella Norton war geschockt. Damit hätte sie nicht gerechnet. Hatte der Mann keine Angst?
Sie ging zurück und drehte sich dabei zur Seite. Okay, sie hatte ihn gewarnt, und sie wollte ihren Vorsatz auch in die Tat umsetzen.
Der Mann blieb stehen und schaute gelassen zu, wie sie den Hörer in die Hand nahm. Sie schielte den Besucher an, während sie gleichzeitig die Nummer eintippte.
Die Taste für die
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