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Drift

Drift

Titel: Drift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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dir ja sonst bei einer anderen holst, aber bitte, von mir aus, wenigstens ein Punkt, in dem du Talent beweist, aber wie dankst du es mir? Na? Wie-dankst-du-es-mir?!!! Dass ich all meine Pläne und Prinzipien für dich und deine Schwachsinnsideen verabschiedet habe und mich damit zufriedengebe, ein Leben im Standbymodus zu führen?«
    Noch ein Moment der Stille folgte, allerdings nur außerhalb von Martins Kopf. In ihm drin schrien an die zwanzig Stimmen durcheinander und wollten alle recht haben und Helena die Meinung sagen, aber sie verstummten kollektiv, kaum erhob sie wieder ihre Stimme.
    »Du sagst nichts? Okay, dann will ich es dir sagen: Du dankst es mir, indem du drauf scheißt! Es ist dir egal, wie dir alles egal ist, wie ich dir egal bin!«
    Martin wusste nicht, wann sie schöner war: Entspannt, vor dem Einschlafen, beim Schlafen oder Aufwachen, während und nach dem Sex oder jetzt, wütend wie Dschinghis Khan in der Schlacht.
    |23| »Du kümmerst dich um nichts, du bist eine Pflanze, nein, eine Pflanze ist produktiver, du armes, kleines, verlorenes Kerlchen! Der große Journalist? Von wegen! Du bist ja nicht mal imstande, rechtzeitig das Essen auf den Tisch zu stellen! Was für ein Mann! Was für ein Traum von einem Mann! Komm, sag, du Traummann, hast du dir unser Leben so vorgestellt? Dass ich arbeite, die Miete zahle, das Essen, die Zigaretten, deinen Alkohol, deine Drogen, Nutten UND dass ich dich auch noch bekoche?!«
    Martin musste etwas sagen, jetzt, er wusste es, aber es war, als hätten die Spaghetti sich in seinen Stimmbändern verfangen und sie lahmgelegt, und Helena schlich sich an ihn heran wie eine Tigerin. Keinen Zentimeter mit ihrer Nase von seinem Kinn entfernt blieb sie stehen.
    »Wie? Sorry, ich versteh nicht … Hast du ja gesagt? Ja? Weil wenn das so ist, dann sag ich dir Folgendes: Verpiss dich, verpiss dich, verpiss dich! Verpiss dich aus meinem Leben! Jetzt, heute, sofort!«
    Und damit schnappte sie sich ihre Tasche, stieß Martin mit ihrem spitzen Ellbogen zur Seite und stürmte aus der Wohnung.
    Immer noch sprachlos, zu den Spaghetti in den Haaren jetzt auch noch über und über mit Wein vollgespritzt, stellte Martin die Gläser auf die Ablage und rannte ihr ins Treppenhaus hinterher.
    »Das Wasser kocht ja schon!«, rief er ihr nach. »Keine zehn Minuten und wir können essen!«
    Aber Helena lief weiter die Treppen runter und fluchte vor sich hin und Martin glaubte, etwas wie »Scher dich zum Teufel!«, »Elender Schlappschwanz!« und »Wichser, Wichser, Wichser!« zu hören – aber vielleicht täuschte er sich auch.
     
    An jenem Abend kam Helena spät und mit einer heftigen Rotweinfahne nach Hause und legte sich wortlos neben ihn schlafen. Das Thema wurde nie wieder angesprochen, aber seit jenem Tag gab es in Martins Leben diesen einen Fixpunkt, an dem nichts, aber auch |24| gar nichts vorbeiführte: Das Essen stand zur verabredeten Zeit dampfend auf dem Tisch, da konnte kommen, was wollte. Also holte er sein Notizbuch hervor, riss eine Seite heraus und schrieb alle Zutaten auf, die er für eines ihrer Lieblingsgerichte, einen chinesischen Fried Rice à la Martin, brauchte – Einkaufszettel waren auch etwas, weswegen sie sich über ihn lustig machte, aber es ging einfach nicht anders; ohne Einkaufszettel vergaß er garantiert eine kleine, aber wahrscheinlich essentielle Zutat. Er las die Notizen nochmals durch, nickte zufrieden, steckte den Zettel in die Hosentasche und verließ die dunkle Bar.
     
    Draußen empfing ihn die Langstraße mit buntem Leben, das übliche Bild im Sommer: Menschen aller Rassen und Couleur gingen mehr oder weniger zielstrebig an ihm vorbei, die Autos standen im Stau und jeder dritte oder vierte Schwarze bot ihm Koks, jeder fünfte oder sechste Weiße Heroin an. Martin ging nach links, schnell und zielstrebig, um möglichst rasch von seinen Ex-Versuchungen wegzukommen; er mied die Langstraße wie andere Syphilis.
    Er überquerte den Limmatplatz und ging auf den größten Lebensmittelladen im Quartier zu, wo er alles finden würde, was er für das Abendessen brauchte: Paprika, Peperoni, Schinken, Ei, Oliven, Cocktailtomaten und wilden Reis – Zwiebeln und Knoblauch hatte er immer vorrätig. Vor dem großen Eingang zum Laden holte er die kleinen Kopfhörer aus der Tasche, doch bevor er sie ins Diktafon stecken und sich die Hörer in die Ohren stöpseln konnte, fasste ihn jemand am Ellbogen. Martin drehte sich um und vor ihm stand ein Dealer, an dessen

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