DS054 - Stausee des Todes
geeignet war, zu einer irdischen Gerechtigkeit beizutragen. Dabei war er, so deutete der Verfasser an, nicht eigentlich Detektiv, sondern Wissenschaftler von Graden, auch wenn für die Öffentlichkeit die Kriminalfälle, mit denen er sich befaßte, spektakulärer waren als seine Erfindungen und Entdeckungen. Tatsächlich, so führte der Autor abschließend aus, war der Bronzemann – wie Doc Savage seiner Hautfarbe wegen genannt wurde, die er sich beim langjährigen Aufenthalt in den Tropen erworben hatte – ein Mensch voller Geheimnisse, denn er liebte die Publizität nicht, so daß über ihn mehr Gerüchte denn Fakten in Umlauf waren.
Idle begriff, daß ein solcher Mensch ihm gefehlt hätte, um ihm aus der Misere zu helfen, zugleich jedoch war er skeptisch. Der Schreiber hatte Doc Savage als ein Musterexemplar von körperlichen und geistigen Fähigkeiten dargestellt, daß Idle sich fragte, ob Doc Savage überhaupt ein lebender Mensch oder nur eine Ausgeburt der Fantasie jenes Autors war. Angeblich, so hieß es im Text, genügte allein der Name Doc Savages, auch den abgebrühtesten Verbrechern einen Schock zu versetzen, und Idle beschloß, einen Test zu machen.
Am Abend in seiner Zelle nahm er sich Big Eva vor. Big Eva war gewissermaßen das Paradeexemplar eines Kriminellen.
»Ich habe heute an Doc Savage denken müssen ...« sagte Idle vage.
Big Evas Reaktion übertraf Idles kühnste Erwartungen. Big Eva ließ den Bleistift fallen, mit dem er an der Wand den abgesessenen Tag markiert hatte, und wirbelte herum. Sein Gesicht war käsig.
»Was ist mit Savage?« fragte Big Eva erschrocken. »Mischt er sich etwa in unsere ...?«
Er verstummte und schluckte heftig. Idle ließ ihn nicht aus den Augen. Big Eva atmete tief durch.
»Aber er kann nichts wissen«, sagte er. »Er hat keine Möglichkeit ...«
Dann schien er zu kapieren, daß er im Begriff war, zuviel zu reden, und verstummte abermals. Idle bemühte sich, Big Eva seine Zufriedenheit nicht zu zeigen.
»Was ist mit Savage?« fragte Big Eva. »Wieso hast du an ihn gedacht?«
»Ich habe einen Artikel über ihn gelesen«, bekannte Idle. »Vorhin. In einem Magazin.«
»Der Teufel soll dich holen«, sagte er lahm. »Wie kannst du mich so erschrecken ...«
Einige Tage später bekam Idle mit, wie das inoffizielle Nachrichtenwesen im Gefängnis funktionierte, und beschloß, sich seiner zu bedienen. Dieser Augenblick war außerordentlich bedeutsam, nicht nur für Idle, denn er trug dazu bei, einige tausend Menschen zu retten. Aber vorher hatte Idle seinen riesigen Schlafgenossen noch einmal zur Rede gestellt. Er hatte über die Äußerungen nachgedacht, die Big Eva vor Entsetzen entschlüpft waren, und vermutete, daß Big Eva mehr wußte, als er bisher zu erkennen gegeben hatte.
»Wie hast du das gemeint?« fragte er. »Ich hab mich gewundert.«
»Wie habe ich was gemeint?« entgegnete Big Eva befremdet.
»Als ich Doc Savage erwähnte«, sagte Idle, »hast du dir anscheinend Sorgen gemacht, daß er etwas erfahren haben könnte.«
Big Eva ballte die Fäuste und guckte drohend.
»Halt’s Maul!« schnarrte er. »Wenn du zu jemand darüber ein Wort sagst, bring ich dich um!«
Idle ahnte, daß Big Eva nicht scherzte, er ahnte auch, daß Big Eva sich weniger vor ihm fürchtete, als er den Eindruck zu erwecken trachtete. Damit lag der Verdacht nahe, daß Big Eva ihn nicht für Hondo Weatherbee hielt. Er hätte nicht gewagt, einem Hondo Weatherbee zu drohen, daran konnte es mittlerweile für Idle keinen Zweifel mehr geben. Daher bediente er sich des inoffiziellen Nachrichtensystems, und zwar so:
Als es zum Frühstück vier Pfannkuchen gab, aß er nur zwei davon und schickte die beiden übrigen mit einem Brief dazwischen in die Küche zurück. Der Tellerwäscher in der Küche, ein Sträfling, nahm die beiden Pfannkuchen mit dem Brief und legte sie behutsam obenauf auf einen Müllkübel. Der Mann von der Müllabfuhr, der mit den Häftlingen Geschäfte machte und deswegen zu kleinen Gefälligkeiten bereit war, auch wenn er dabei nichts verdiente, klebte eine Briefmarke auf den fettigen Umschlag und steckte ihn in einen Postkasten.
Der Artikelschreiber hatte Doc Savages Adresse nicht publiziert, aber Tom Idle hatte eine Schwester in Missouri, und an sie war der Brief gerichtet. In dem Brief stand, was Idle passiert war, nebst der Bitte an seine Schwester, sich an Doc Savage zu wenden. Die Post beförderte den Brief nach Missouri, niemanden störte es, daß der
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