Du bist nie allein
konnte. Aber wenn es um Männer ging, war Julie blind wie eine Fledermaus.
Julie sollte sich mal mit mir unterhalten, dachte Andrea. Ich hätte ein paar wertvolle Tipps für sie, wie sie die Sache mit Richard wieder hinbiegen könnte.
In dem Moment bimmelte die Türglocke, Andrea sah sich um und dachte: Wenn man vom Teufel spricht…
Für eine ganze Weile blieb es still im Salon. Mabel war ein paar Minuten rausgegangen, und Julies Kundin war ebenfalls gerade auf dem Weg nach draußen. Richard hielt ihr die Tür auf. Er trug eine Sonnenbrille, und als er sich umdrehte, sah Julie ihr Spiegelbild darin. Ein seltsam flaues Gefühl machte sich in ihrem Magen breit. Singer, der auf seiner Decke lag, richtete sich auf.
»Guten Tag, Richard«, sagte Julie.
Es klang zögerlich.
»Hallo, Julie. Wie geht’s?«
Es gab keinen Grund, unhöflich zu sein, aber nach freundlichem Geplauder stand ihr auch nicht gerade der Sinn. Sie fand es zwar normal, Richard ab und zu über den Weg zu laufen, was in einer kleinen Stadt ja unvermeidlich war, aber dass er weiterhin im Salon aufkreuzte, war ihr weniger recht. Sie legte keinen Wert auf eine Wiederholung des Treffens im Supermarkt.
»Was ist los?«, fragte sie also.
Richard nahm die Sonnenbrille ab und lächelte. Seine Stimme klang sanft. »Ich hatte gehofft, dass du Zeit hast, mir die Haare zu schneiden. Ist mal wieder fällig.«
Während Julie in ihrem Terminkalender nachsah, fragte sie sich, ob das der einzige Grund für sein Kommen war. Sie schüttelte den Kopf.
»Tut mir Leid. Ich glaube, das geht nicht – ich bin heute ziemlich ausgebucht. Meine nächste Kundin kommt in ein paar Minuten, und danach mache ich jemandem Strähnchen, und das kann lange dauern.«
»Ich hätte wohl besser einen Termin gemacht, was?«, sagte er.
»Manchmal kann ich noch jemanden dazwischenschieben, aber heute habe ich einfach keine Zeit.«
»Verstehe.«
Er seufzte. »Aber da ich schon mal hier bin, können wir ja vielleicht etwas ausmachen. Wie ist es mit Montag?«
Julie blätterte die entsprechende Seite im Kalender auf.
»Da bin ich auch ausgebucht. Montags ist immer viel los. Da kommen die Stammkundinnen.«
»Und Dienstag?«
Diesmal musste sie gar nicht nachschauen. »Am Dienstag arbeite ich nur den halben Tag. Muss nachmittags ein paar Sachen erledigen.«
Richard schloss langsam die Augen und öffnete sie dann wieder. Sein Gesichtsausdruck besagte: So
läuft das also von jetzt an, wie?
Trotzdem machte er keine Anstalten zu gehen. Andrea spürte die Spannung zwischen den beiden und trat näher.
»Ich bin frei, Schätzchen«, sagte sie. »Ich könnte es machen.«
Richard zögerte kurz und machte dann einen Schritt auf Andrea zu, ohne den Blick von Julie zu wenden.
»Schön«, sagte er, »das wäre prima.«
»Dann kommen Sie, Schätzchen. Gehen wir nach hinten. Ich muss Ihnen erst das Haar waschen.«
»Klar. Danke, Andrea.«
Sie sah ihn über die Schulter hinweg an und schenkte ihm ihr strahlendstes Lächeln. Wie aufregend, ihren Namen aus seinem Mund zu hören!
»Was hat er denn gewollt?«, fragte Mike. Kaum hatte er Richard aus dem Salon kommen sehen – Mike hatte die seltsame Neigung, in jeder freien Minute zum Salon hinüberzusehen, und sei es nur, um sich vorzustellen, was Julie gerade tat –, war er über die Straße geeilt und hatte Julie kurz zu sich herausgebeten.
»Er wollte sich die Haare schneiden lassen.«
»Wieso?«
»Nun, so etwas tun wir nun mal den ganzen Tag.«
Mike sah sie ungeduldig an, worauf sie fortfuhr: »Also, nun bausch das Ganze bitte nicht auf! Ich habe kaum ein Wort mit ihm gewechselt. Andrea hat ihm die Haare geschnitten, nicht ich.«
»Aber er wollte von dir bedient werden, richtig? Obwohl du mit ihm Schluss gemacht hast?«
»Das kann ich nicht bestreiten. Aber ich glaube, er hat begriffen, dass ich ihn lieber nicht mehr sehen würde, auch nicht bei der Arbeit. Ich bin nicht unfreundlich gewesen, aber er hat’s bestimmt kapiert.«
»Na gut«, sagte er und schwieg kurz. »Er weiß doch Bescheid, dass du… na ja, mit mir zusammen bist, oder?«
Statt einer Antwort ergriff Julie seine Hand. »Weißt du, du bist ziemlich süß, wenn du eifersüchtig bist.«
»Ich bin nicht eifersüchtig!«
»Und ob. Aber keine Bange, ich finde dich immer süß. Bis heute Abend?«
Erstmals seit Richards Auftauchen merkte Mike, dass er wieder ruhiger wurde. »Ja, bis heute Abend«, sagte er. Als Julie wenig später in den Salon zurückkam – sie hatte
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