Du bist nie allein
Hause bleiben wollten – ein Gedanke, den er ziemlich erotisch fand.
Er liebte Julie, da war er sich sicher, aber seine Empfindungen hatten sich, seit sie sich regelmäßig sahen, gewandelt. Sie waren nun keine Fantasien mehr, sondern etwas Reales, und Julie war ein unverzichtbarer Bestandteil seines Lebens geworden.
Sie legte ein Paar Ohrringe an, lächelte Mike im Spiegel kurz an und fühlte sich geschmeichelt von seiner Aufmerksamkeit. Sie sprühte sich ein wenig Parfüm auf Hals und Puls und rieb dann die Handgelenke aneinander.
»Besser?«, fragte sie und wandte sich zu Mike um.
»Du siehst wunderschön aus«, sagte er. »Wie immer.«
Auf dem Weg durch die Tür streifte sie ihn. Mike folgte ihr, den Blick auf ihre sanft wiegenden Hüften und den wohlgerundeten Po geheftet. Barfuß und in verwaschener Jeans wirkte sie besonders anmutig, dabei wusste Mike, dass sie sich nicht anders bewegte als sonst.
»Heute Abend gibt’s Steaks«, sagte sie. »Ist das in Ordnung?«
»Natürlich! Aber großen Hunger habe ich noch nicht. Hab heute später Mittagspause gemacht. Ich würde erst einmal gern ein Bier trinken.«
Julie reckte sich auf die Zehenspitzen, um ein Weinglas oben aus dem Schrank zu holen. Dabei rutschte ihre Bluse hoch, und ihr Bauch kam zum Vorschein. Mike wandte sich ab und zwang sich, an Baseball zu denken. Gleich darauf hielt sie ihm das Glas entgegen, und Mike schenkte ihr Wein ein. Dann nahm er sich selbst ein Bier. Er riss die Dose auf und nahm einen tiefen Schluck.
»Möchtest du noch ein bisschen draußen sitzen?«, fragte Julie.
»Gern.«
Sie traten auf die Veranda, und Julie hielt Singer die Fliegengittertür auf, um ihn in den Garten zu lassen. Sie trug eine ärmellose Bluse. Mike bemerkte die schmalen Muskeln ihres Oberarms und die Rundung ihrer Brust, und nicht zum ersten Mal stellte er sich vor, wie sie wohl nackt aussehen würde.
Er schloss die Augen, atmete tief durch und nahm noch einen tiefen Schluck, bis die Dose fast leer war.
Es würde ein verteufelt langer Abend werden.
Es kam nicht annähernd so schlimm wie befürchtet. Wie immer plauderten sie entspannt miteinander, bis Mike eine Stunde später den Grill anmachte und die Steaks briet, während Julie ins Haus ging, um rasch einen Salat zuzubereiten.
In der Küche kam Julie zu dem Schluss, dass Mike ganz wie ein Casanova wirkte, der vor Jahren auf einer einsamen Insel gestrandet war. Der arme Kerl hatte schon den ganzen Abend Stielaugen, und so unbefangen er sich auch zu geben versuchte, wusste sie genau, was ihm durch den Kopf ging – bei ihr war es nämlich nicht anders. Ihre Hände waren so verschwitzt, dass sie Mühe hatte, das Gemüse zu halten.
Sie schnitt eine Gurke und Tomaten klein und gab sie in die Schüssel, dann deckte sie den Tisch mit ihrem guten Porzellan. Als sie zurücktrat, um die Wirkung zu begutachten, fiel ihr auf, dass etwas fehlte. Sie suchte zwei Kerzen heraus, stellte sie in die Mitte und zündete sie an. Dann schaltete sie die Deckenlampe aus und nickte zufrieden.
Sie legte eine CD von Ella Fitzgerald ein, und als sie gerade den Wein zum Tisch trug, kam Mike mit den Steaks herein. Bei dem Anblick, der sich ihm bot, blieb er in der Tür stehen.
»Gefällt’s dir?«, fragte sie.
»Alles sieht… wundervoll aus«, sagte Mike.
Julie merkte, dass er dabei
sie
anschaute, und errötete leicht. Schließlich wandte Mike den Blick ab und stellte die Steaks auf den Tisch. Doch statt sich zu setzen, trat er auf Julie zu.
Mike hob eine Hand an ihr Gesicht, behutsam, wie um Erlaubnis bittend. Im Hintergrund spielte leise die Musik, und der Raum duftete nach dem Fleisch. All dies nahm Julie nur beiläufig wahr. Mike schien das ganze Zimmer zu erfüllen.
Und genau in dem Augenblick erkannte sie, dass sie sich in ihn verliebt hatte.
Mike schaute sie an, als könne er ihre Gedanken lesen. Julie schmiegte ihr Gesicht in seine Hand, schloss die Augen und ließ seine Berührung zu einem Teil ihrer selbst werden. Mike umfing sie mit kraftvollen Armen.
Dann küsste er sie. Ganz zart, fast wie der Hauch unter den Flügeln eines Kolibris, und so oft sie sich auch schon geküsst hatten – dieser Kuss schien realer als alle vorangegangenen. Er küsste sie wieder, und als ihre Zungen sich trafen, schlang Julie die Arme um Mike, in der Gewissheit, dass ihre Freundschaft sie beide im Laufe der Jahre stetig zu diesem Moment geführt hatte.
Als sie sich voneinander lösten, nahm Mike Julies Hand und führte sie
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