Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen
motivierte Menschen wir anschließend im Berufsleben antreffen werden. Schlimmstenfalls sind das dann auch noch die zukünftigen Lehrer.
Es gäbe tausend Möglichkeiten, Schülern gleichbleibend attraktive Lernangebote zu unterbreiten. Sie könnten Präsentationen über ihre besonderen Leistungen erstellen, ihre Neigungen herausfiltern und in Form von Projektarbeiten aus diesen Interessen konkrete Job-Ideen kreieren, sich in Rhetorik schulen. Kurz gesagt: an sich arbeiten und sich entwickeln. Denn genau das zählt heute.
Die Gesellschaft hat sich gewandelt. Hohe formale Abschlüsse werden zwar oft als selbstverständlich erwartet – ohne Realschulabschluss ist kaum noch ein Ausbildungsvertrag zu bekommen, oft wird sogar Abitur verlangt. Schulabschlüsse sind aber lange nicht mehr ausreichend, um einen begehrten Ausbildungs-, Studien- oder Arbeitsplatz zu bekommen. Zunehmend erfahren das die Absolventen des Bildungssystems am eigenen Leib: Schulabschlüsse, ja sogar akademische Grade an sich genügen nicht mehr. Welchen Sinn also hat ein Bildungssystem, das sich beharrlich auf die Vorstellung versteift, lediglich eine akademische Ausbildung sei das erstrebenswerte Ideal? Wer die Welt außerhalb der Institutionen kennt, weiß genau: Beim Lernen geht es immer um den Nutzen. Lernen heißt, Fähigkeiten zu erwerben, aus denen sich auch in unserer komplexen Gegenwart konkret etwas machen lässt. Die Welt verändert sich, und zum Lernen gehört es, sich auf diese Veränderungen einzustellen und trotz des hohen Tempos unserer Zeit immer wieder Möglichkeiten zu finden, erfolgreich durchs Leben zu navigieren.
Aber was bringt Schule Schülern denn bei?
Wenn ein Schüler einen Schulabschluss wie die mittlere Reife oder das Abitur erreicht hat – wozu befähigt ihn das dann konkret? Was kann er nach der Schule wirklich? Was kann er anwenden von dem, was er gelernt hat?
Erfolg im Leben ist das, was folgt, wenn ich mir selbst folge. Dafür muss ich mich selbst kennen. Was habe ich denn im Laufe der Schulzeit über mich herausgefunden? Wer bin ich? Was kann ich? Was will ich tun? Das sind die Fragen, die sich jeder Schulabgänger nicht erst mit dem Erhalt des Abschlusszeugnisses stellt und auf die er häufig keine Antwort weiß. Er hat wenig über sich erfahren. Ein Schulabgänger hat dann seine gesamten Schuljahre abgesessen und ist sich selbst fremd geblieben.
Was tun? Gut, dass es ein soziales Jahr gibt! Vielleicht bringt auch eine Auszeit in fremden Ländern die gesuchten Erkenntnisse. Und zur Not kann man vielleicht noch in einer kaufmännischen Ausbildung oder einem BWL-Studium unterkommen. Wenn alle Stricke reißen, kann man auch Lehrer werden, die werden immer gesucht und gut bezahlt.
Betrachten wir Schule noch einmal etwas genauer bezüglich der Zielsetzung, Heranwachsende auf das spätere Leben in der Gesellschaft allgemein und im Beruf im Besonderen vorzubereiten, dann drängen sich mir besorgniserregende Fragen auf. Ref 2
Ist Wissensvermittlung wichtiger als Persönlichkeitsentfaltung?
Vor einiger Zeit las ich einen Zeitungsartikel, in dem beschrieben wurde, wie auf einer Bildungskonferenz im Emirat Quatar Experten im Dezember 2010 über die Vermittlung von »Soft Skills« im Rahmen eines regelrechten Schulfachs diskutierten. Konkret ging es dabei um die Option, nach dem Vorbild von Australien und Singapur Schüler bereits in der Schule besser in den Schlüsselqualifikationen des 21. Jahrhunderts auszubilden. Weiter las ich, dass sich die nächste PISA-Studie 2012 mit dem Bereich »Problemlösungskompetenz« beschäftigen wird. Endlich tut sich etwas, dachte ich mir und wandte mich
in der Bürgersprechstunde meiner Stadt umgehend an den Bundestagsabgeordneten meines Wahlkreises. Ich erzählte ihm von dem Zeitungsartikel und wie wichtig ich solch eine Entwicklung finde. Doch auf meine Frage an den Politiker, wie er sich vorstellen könne, dass persönlichkeitsbildende Angebote verstärkt in den Schulalltag mit einfließen, erntete ich von ihm verständnislose Blicke. Er erklärte mir, dass Schule in erster Linie ein Ort der Wissensvermittlung und nicht der Persönlichkeitsbildung sei.
Solche Aussagen machen mich ratlos – und auch wütend. Denn jeden Tag erlebe ich, dass sogar Schüler eines Gymnasiums Schwierigkeiten damit haben, sich verständlich auszudrücken, logisch zu denken, sich erreichbare Ziele zu setzen, Eigenverantwortung zu übernehmen, Lösungsstrategien zu entwerfen, mutig ein Referat zu
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