Du oder das ganze Leben
schmerzt, tief drin in meinem Körper. Und ich weiß, dass ich nie, nie wieder dieselbe sein werde.
56
Alex
Ich bin seit einer Woche im Krankenhaus. Ich hasse Krankenschwestern, Ärzte, Nadeln, Tests … und besonders Krankenhaushemden. Ich glaube, je länger ich an diesem Ort bin, desto unausstehlicher werde ich. Zugegeben, ich hätte die Schwester, die meinen Katheter entfernt hat, vielleicht nicht anschreien sollen. Aber ihre übertrieben gute Laune ist mir auf den Keks gegangen.
Ich will niemanden sehen. Ich will mit niemandem sprechen. Je weniger Leute eine Rolle in meinem Leben spielen, desto besser. Ich habe Brittany weggestoßen und es hat mich fast umgebracht, sie dermaßen zu verletzen. Aber ich hatte keine Wahl. Je näher sie mir kam, desto größer wurde die Gefahr für ihr Leben. Ich konnte nicht zulassen, dass das, was Paco passiert ist, dem Mädchen zustößt, das ich …
Denk nicht mehr an sie, befehle ich mir.
Die Menschen, die mir etwas bedeuten, sterben. So einfach ist das. Papá. Jetzt Paco. Ich war ein Idiot, weil ich tatsächlich glaubte, aussteigen zu können.
Als es an meiner Tür klopft, brülle ich: »Verschwindet!«
Das Klopfen wird energischer.
»Lasst mich in Ruhe, verdammt noch mal!«
Als die Tür sich öffnet, schleudere ich dem Störenfried eine Tasse entgegen. Sie trifft keine Krankenhausangestellte, sie trifft Mrs P. voll an der Brust.
»Oh Scheiße, nicht Sie«, kommentiere ich meinen Treffer.
Mrs P. trägt eine neue, strassbesetzte Brille. »Das ist nicht ganz die Begrüßung, die ich erwartet hatte, Alex«, sagt sie. »Ich kann dich für deine ungebührliche Ausdrucksweise immer noch nachsitzen lassen, weißt du.«
Ich drehe mich auf die Seite, damit ich sie nicht länger ansehen muss. »Sind Sie gekommen, um Nachsitzzettel zu verteilen? Denn wenn Sie deswegen hier sind, können Sie es getrost vergessen. Ich komme nicht mehr in die Schule. Danke für den Besuch. Schade, dass Sie jetzt gehen müssen.«
»Ich gehe nirgendwohin, bis du mich angehört hast.«
Oh bitte, alles nur das nicht. Alles lieber, als mir ihre Predigt anhören zu müssen. Ich drücke auf den roten Knopf, mit dem man die Schwester ruft.
»Können wir dir helfen, Alex?«, bellt eine Stimme durch den Lautsprecher.
»Ich werde gefoltert.«
»Wie bitte?«
Mrs P. kommt zu mir rüber und nimmt mir den Hörer der Sprechanlage aus der Hand. »Er macht Witze. Entschuldigen Sie die Belästigung.« Sie legt den Hörer außerhalb meiner Reichweite auf den Nachttisch. »Geben sie dir hier keine kleinen Glückspillen?«
»Ich will gar nicht glücklich sein.«
Mrs P. beugt sich vor, die Fransen ihres Ponys streifen die Oberkante ihrer Brille. »Alex, es tut mir sehr leid, was mit Paco passiert ist. Er war kein Schüler von mir, aber ich habe gehört, wie nahe ihr euch gestanden habt.«
Ich sehe aus dem Fenster, um ihrem Blick nicht begegnen zu müssen. Ich möchte nicht über Paco reden. Ich möchte über gar nichts reden. »Warum sind Sie hier?«
Ich höre ein Rascheln, als sie etwas aus ihrer Tasche zieht.
»Ich habe dir etwas Arbeit mitgebracht, damit du aufholen kannst, was du versäumt hast, bis du wieder in die Klasse zurückkehrst.«
»Ich komme nicht zurück. Das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Ich breche die Schule ab. Das sollte Sie nicht überraschen, Mrs P., ich bin in einer Gang, erinnern Sie sich?«
Sie geht um das Bett herum, sodass sie mir ins Gesicht sehen kann. »Ich schätze, ich habe mich in dir getäuscht. Ich hätte gewettet, dass du derjenige bist, dem es gelingt, aus der ihm zugedachten Rolle auszubrechen.«
»Ja, das war vielleicht so, bevor mein bester Freund erschossen wurde. Die Kugel war für mich bestimmt, wissen Sie.« Ich betrachte das Chemiebuch in ihrer Hand. Es erinnert mich sofort an alles, was war, und was niemals sein wird. »Er hätte nicht sterben dürfen! Sondern ich!«, brülle ich.
Mrs P. verzieht keine Miene. »Aber das bist du nicht. Meinst du, du tust Paco einen Gefallen, wenn du die Schule schmeißt und einfach aufgibst? Betrachte dein Leben als ein Geschenk, das er dir gemacht hat, Alex, und nicht als Fluch. Paco kommt nicht zurück. Aber du kannst es.« Mrs P. legt das Chemiebuch auf das Fensterbrett. »Ich habe mehr Schüler sterben sehen, als ich je für möglich gehalten hätte. Mein Mann drängt mich, die Fairfield zu verlassen und an einer Schule ohne Gangmitglieder zu unterrichten, die ihr Leben nur leben, um zu sterben oder zu Drogendealern zu
Weitere Kostenlose Bücher