Du oder das ganze Leben
Wahrscheinlich braucht sie meinen Rat wegen Paco.
»Weißt du eigentlich, wie spät es ist?«, frage ich zur Begrüßung.
»Er ist tot, Brittany. Er ist fort.«
Sofort bin ich hellwach. »Wer?«, frage ich panisch.
»Paco. Und … ich wusste nicht, ob ich dich anrufen sollte, aber du hättest früher oder später sowieso herausgefunden, dass Alex auch dort war und …«
Meine Finger umklammern das Telefon. »Wo ist er? Geht es ihm gut? Bitte, sag mir, dass es Alex gut geht. Ich flehe dich an, Isa. Bitte.«
»Er wurde angeschossen.«
Ich erwarte im nächsten Moment die gefürchteten Worte von ihr zu hören: Er ist tot. Aber sie kommen nicht. Stattdessen sagt sie: »Er wird gerade im Lakeshore Krankenhaus operiert.«
Sie hat ihren Satz kaum beendet, da reiße ich mir schon den Schlafanzug vom Leib und ziehe mir blitzschnell etwas über. Dann schnappe ich mir die Schlüssel und stürme aus dem Haus, das Handy noch immer ans Ohr gepresst, während Isabel mir stockend alle Details berichtet, die sie in Erfahrung bringen konnte.
Anscheinend ist der Drogendeal schiefgelaufen und Paco und Hector sind tot. Alex wurde angeschossen und wird noch operiert. Das ist alles, was sie weiß. Als ich den Wagen anlasse, verabschieden wir uns voneinander.
»Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott.« Wie ein Mantra murmle ich diese Worte auf der Fahrt zum Krankenhaus immer wieder vor mich hin. Als ich gestern Abend zu Alex fuhr, war ich sicher, er würde sich für mich entscheiden und nicht für den Drogendeal. Aber selbst wenn er unsere Liebe verraten hat, ich kann es nicht.
Tiefe Schluchzer schütteln mich. Paco hat mir gestern versichert, dass er dafür sorgen würde, dass Alex den Drogendeal nicht macht, aber … Oh Gott. Paco hat Alex’ Platz eingenommen und ist deswegen gestorben. Armer, großherziger Paco.
Ich versuche auszublenden, dass Alex die Operation vielleicht nicht überleben wird. Ein Teil von mir würde mit ihm sterben.
Im Krankenhaus frage ich die Schwester an der Rezeption, wo ich etwas über Alex’ Gesundheitszustand erfahren kann.
Die Frau bittet mich, seinen Namen zu buchstabieren, dann gibt sie ihn über ihre Tastatur ein. Sie braucht eine kleine Ewigkeit dafür, sodass ich sie am liebsten an den Schultern packen und schütteln möchte, damit sie einen Zahn zulegt.
Sie sieht mich neugierig an. »Gehören Sie zur Familie?«
»Ja.«
»Verwandtschaftsverhältnis?«
»Ich bin seine Schwester.«
Die Frau schüttelt ungläubig den Kopf, dann zuckt sie mit den Schultern. »Alejandro Fuentes ist mit einer Schusswunde eingeliefert worden.«
»Aber er wird es schaffen, oder?«, frage ich weinend.
Die Frau tippt wieder auf ihrer Tastatur herum. »Es scheint, als sei er den ganzen Morgen operiert worden, Miss Fuentes .
Der Warteraum ist das orangefarbene Zimmer den Flur hinunter auf der rechten Seite. Der Doktor wird Sie nach der OP über den Zustand Ihres Bruders informieren.«
Ich klammere mich Halt suchend am Tresen fest. »Danke.«
Im Wartezimmer erstarre ich, als ich Alex’ Mutter und seine zwei Brüder in einer Ecke dicht beieinander auf orangefarbenen Krankenhausstühlen sitzen sehe. Seine Mutter blickt als Erste hoch. Ihre Augen sind blutunterlaufen und Tränen laufen ihr Gesicht hinunter.
Meine Hand fährt zu meinem Mund, vergeblich versuche ich ein Schluchzen zu unterdrücken. Durch die Tränen, die meinen Blick verschleiern, sehe ich, wie Mrs Fuentes ihre Arme für mich öffnet.
Von meinen Gefühlen überwältigt, renne ich zu ihr und lasse mich an ihr Herz drücken.
Seine Hand hat sich bewegt.
Ich hebe den Kopf von Alex’ Krankenhausbett, an dem ich die ganze Nacht gesessen und darauf gewartet habe, dass er aufwacht. Seine Mutter und seine Brüder sind ebenfalls nicht von seiner Seite gewichen.
Der Arzt hat gesagt, es könnte Stunden dauern, bis er das Bewusstsein wiedererlangt.
Ich benetze ein Papiertuch am Waschbecken des Krankenzimmers und kühle damit Alex’ Stirn. Das habe ich die ganze Nacht getan, während er schwitzte und sich in einem unruhigen Schlaf hin und her warf.
Seine Lider flattern. Ich sehe, wie er gegen die Narkosemittel ankämpft, während er langsam die Augen öffnet. »Wo bin ich?« Seine Stimme klingt kratzig und schwach.
»Im Krankenhaus«, antwortet seine Mutter, die sofort an seine Seite eilt.
»Du bist angeschossen worden«, ergänzt Carlos schmerzerfüllt.
Alex’ Brauen ziehen sich verwirrt zusammen. »Paco …«, flüstert er und seine Stimme
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