Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)
eine Region, in der 70 Prozent der nachgewiesenen Ölreserven 72 und 40 Prozent der Gasreserven der Welt liegen. Wir leben in einer gnadenlosen Welt.
Assad oder Al-Qaida
Meine Reise im Juli 2012 sollte eigentlich meine letzte nach Syrien sein. Ich hatte alles gesagt und geschrieben, was ich erlebt hatte. Ich hatte, wie mit Assad vereinbart, die deutsche und die amerikanische Regierung über meine Gespräche informiert. Das Weiße Haus blieb bei seiner Haltung, mit Assad nicht zu sprechen. Stattdessen lieferte es seinen Feinden Waffen. Die Bundesregierung hingegen hatte zu meiner positiven Überraschung zunehmend eine wohltuend unkriegerische Haltung eingenommen.
Doch Anfang des Jahres 2013 erhielt ich einen erneuten Anruf aus Damaskus. Aus der Umgebung Assads wurde ich gefragt, ob ich bereit sei, noch einmal zu kommen. Vielleicht gäbe es doch noch Wege zu einer friedlichen Lösung. Ich blieb skeptisch, da sich die USA auf Rückfrage nach wie vor kategorisch weigerten, mit Assad zu sprechen.
Nach wochenlangem Hin und Her beschloss ich Mitte April 2013, noch einmal nach Syrien zu reisen. Frédéric bestand darauf mitzukommen. Er hatte offenbar den Familienauftrag, die Risiken meiner Reise niedrig zu halten. Aus Sicherheitsgründen flogen wir zuerst nach Beirut. Von dort ging es mit dem Auto eines Freundes über die libanesisch-syrische Grenze nach Damaskus.
Der Siegeszug Al-Nusras
Wieder begann ein hektisches Programm, das nicht immer den Vorstellungen der syrischen Regierung entsprochen haben dürfte. Denn schon kurz nach unserer Ankunft saßen wir in einer heruntergekommenen Damaszener Wohnung mit Salem, einem 27-jährigen Rebellenführer, zusammen. Er gehörte der »Freien Syrischen Armee« an, die im Westen seltsamerweise noch immer als gemäßigt gilt. Den Termin hatten sunnitische Freunde aus Duma vermittelt.
Salem hatte seine Mütze tief ins Gesicht gezogen. Im Minutentakt schlugen im benachbarten Vorort Dschobar Granaten ein. Für Salem und die Menschen von Damaskus war das Alltag. Seit Monaten tobte die Schlacht um die Vororte der Hauptstadt. Die Lage im Land hatte sich dramatisch zugespitzt. Alles war anders als bei unserem letzten Besuch im Juli 2012. Selbst das Lächeln war aus den Gesichtern der Menschen verschwunden.
Salem spricht mit bedeckter Stimme: »Wir kämpfen, bis das Regime fällt. Notfalls noch Jahre. Wir wollen ein islamisches Kalifat. Ähnlich wie Saudi-Arabien. Nur radikaler. Und nicht nur für die Reichen, sondern auch für die Armen. Für eure Demokratie sterben wir nicht.«
Er berichtet, dass viele seiner Kämpfer zur Al-Qaida-Filiale Al-Nusra überliefen. Die zahle ihren Leuten mit über 300 Dollar pro Monat das Doppelte dessen, was er und seine Kämpfer erhielten. Al-Nusra habe auch die besseren Waffen. Als »Speerspitze der Revolution« könne sie sich bei allen Waffenlieferungen aus dem Ausland frei bedienen. Al-Nusra sei stark und erfolgreich. Al-Nusra habe »einen phänomenalen Lauf«.
Ihn störe das nicht. Man kämpfe schließlich für denselben Gottesstaat. Allerdings verfolge Al-Qaida weltweite Ziele, die »Freie Syrische Armee« nur nationale. Dass sich die sogenannte Exil-Opposition gelegentlich vorsichtig von Al-Qaida distanziere, sei bedeutungslos. Sie spiele in Syrien keine Rolle.
Dann schildert mir Salem seelenruhig, wie er und seine Kampfgefährten Verräter und Soldaten foltern und hinrichten. »Wir machen es wie die andere Seite.« Zurzeit hätten sie in Duma und anderen Vororten von Damaskus über 2300 gefangene Soldaten. Er schätze, dass man mindestens die Hälfte von ihnen hinrichten müsse.
Die wichtigsten seiner Aussagen spricht Salem anschließend in unsere Kamera. Allerdings dürfen wir auch ihn nur von hinten filmen.
In einem Gefängnis treffen wir auf meinen kurzfristigen und sehr nachdrücklichen Wunsch drei Al-Qaida-Kämpfer. Einen Iraker, einen Türken und einen Palästinenser. Der etwa 30-jährige Palästinenser aus Haifa, der lange als Flüchtling in Syrien lebte, trägt als Einziger einen Bart. Er bekennt sich geradezu leidenschaftlich zu Al-Qaida. Die anderen versuchen sich herauszureden. Bin Laden nennt er seinen Scheich, Al-Zawahiri seinen Emir. Die palästinensische Fatah und Hamas bezeichnet er als gottlose Verräter und Versager. Er sei glücklich, dass Al-Nusra nun auch offiziell zu Al-Qaida gehöre und von Al-Zawahiri geführt werde.
Nach Syrien werde Al-Qaida selbstverständlich Europa und die USA angreifen. Seine Augen leuchten bei
Weitere Kostenlose Bücher