Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)
befinden sich mehrere tausend ausländische »Dschihadisten« aus Libyen, Tunesien, Jordanien, dem Irak, aber auch aus Europa. Vorsichtige Schätzungen gehen von 5000 Ausländern aus. Ihre Zahl wächst täglich.
• Mindestens 15000 der extremistischen Rebellen bekennen sich zur Jabhat Al-Nusra, die mittlerweile Al-Qaida-Chef Aiman Al-Zawahiri direkt untersteht. Al-Nusra gilt seit Oktober 2012 aufgrund der Kampfkraft und des Todesmutes ihrer Mitglieder als schlagkräftigste und mächtigste Rebellengruppe. Aufseiten der Rebellen dominiert sie das Gefechtsfeld. Sie wird vor allem von Saudi-Arabien mit Geld und Waffen unterstützt. Katar fördert auch die übrigen Extremisten.
• Die »Freie Syrische Armee« , der viele Deserteure angehören, hat höchstens noch 20000 Kämpfer. Obwohl auch sie sich weiter radikalisiert und ihre Methoden und Ziele Al-Nusra anpasst, verliert sie ständig Kämpfer an diese. Al-Nusra alias Al-Qaida kämpft und zahlt besser.
• Kaum Ansehen genießt in Syrien die vom Westen finanzierte, völlig zerstrittene »Exil-Opposition«.
Daneben gibt es in Syrien eine in kleinen Parteien organisierte »demokratische Inlandsopposition«. Sie gehört nicht zur militärischen Widerstandsfront. Sie setzt auf gewaltfreien, friedlichen Wandel durch Verhandlungen mit allen Gruppen der Gesellschaft. Sie war lange Zeit verboten. Sie vertritt etwa zehn Prozent der Bevölkerung. Bei einer Beendigung der Kämpfe könnte ihre Bedeutung steigen.
Die USA sind über ihre saudisch-katarischen Verbündeten inzwischen de facto zu Al-Qaida-Unterstützern geworden. Allerdings wurden sie von der Dynamik des Siegeszugs von Al-Qaida überrascht. Aber sie haben auch nie wirksam gegengesteuert. Al-Qaida steht mithilfe der USA möglicherweise vor dem größten Triumph ihrer Geschichte.
Jeder, der derzeit syrischen Rebellen Waffen liefert, muss damit rechnen, dass sie in die Hände von Al-Qaida gelangen. Die Behauptung amerikanischer, britischer und französischer Politiker, sie könnten durch Kontrollen an der türkischen Grenze sicherstellen, dass nur »gemäßigte« Rebellen ihre Waffen erhielten, ist fast schon komisch. Sie zeugt von einer völligen Unkenntnis der Gefechtslage in Syrien.
Al-Nusra hat aufgrund ihrer dominanten Position bei Lieferungen von Kriegsgerät an andere Rebellengruppen jederzeit die Möglichkeit, an die Waffen heranzukommen, die sie benötigt. Außerdem gibt es gar keine relevanten »gemäßigten Rebellengruppen« mehr, von denen westliche Politiker in ihren Salons schwadronieren.
Bei einem Sieg der extremistischen Rebellen winkt kein demokratischer Musterstaat mehr, sondern eine Diktatur religiöser Fanatiker unter Beteiligung von Al-Qaida. In Unkenntnis der arabischen Geschichte nennen die extremistischen Rebellen den angestrebten Gottesstaat »islamisches Kalifat«.
Aus dem legitimen demokratischen Protest eines Teils der Bevölkerung gegen einen Diktator ist mittlerweile eine blutige Mischung aus Religionskrieg und antiiranischem Stellvertreterkrieg geworden. Die heutigen Rebellen haben mit den legitimen demokratischen Demonstranten der ersten Stunden nichts mehr gemein.
Die Gnadenlosigkeit beider Seiten
Der Krieg wird von beiden Seiten erbarmungslos geführt. Die Regierungstruppen bombardieren fast täglich zivile Wohngebiete, in denen sich Rebellen verbergen. Mit schwerer Artillerie. Sie töten dabei nicht nur Aufständische, sondern auch Zivilisten.
Aber auch die extremistischen Rebellen töten nicht nur Soldaten. Sie exekutieren gezielt alawitische und zunehmend auch christliche Zivilisten. Der westliche Slogan »Assad tötet sein eigenes Volk« beschreibt nur die eine Hälfte der Wahrheit. Beide Seiten töten das eigene Volk. Beide Seiten töten Zivilisten. Wie in allen Bürgerkriegen. Auch für Syrien gilt: Es gibt keine anständigen Kriege.
Ich habe unzählige Mitglieder der sogenannten schweigenden Mehrheit Syriens gefragt, wer in diesem Bürgerkrieg die meisten Todesopfer zu verantworten habe. Ich fragte Menschen, die das tägliche Sterben seit über zwei Jahren hautnah miterlebten, und bekam fast immer die gleiche Antwort: Etwa ein Drittel der Toten seien Soldaten und Polizisten, ein Drittel Rebellen und ein Drittel Zivilisten. Wie üblich.
Nicht nur der griechisch-katholische Patriarch von Syrien, Gregorios III ., und der Großmufti von Syrien, Ahmad Badreddin Hassoun, sind der Überzeugung, dass die meisten Zivilisten inzwischen von Rebellen getötet werden. Al-Qaida
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