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Duell der Magier 02 - Die Bahn der magischen Monde

Duell der Magier 02 - Die Bahn der magischen Monde

Titel: Duell der Magier 02 - Die Bahn der magischen Monde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Teras lesen und schreiben und die Jungfrauenlieder gelernt hatten, ging an dem Heiligtum und an der Schreinquelle vorüber, um in den säulenumstandenen Innenhof zu treten. Als sie die rankenumwundenen Säulen mit den Abbildungen der Jungfrau sah, auf die das Mondlicht fiel, daß man sie durch die Blätter lächeln sah, entspannte sich Tuli. In diesem Hof herrschte eine sanfte Güte, die jedesmal tief in sie hineinströmte und alle Knoten von Zorn und Trotz glättete, die sich wie Grate in ihr bildeten und sie kratzten, bis sie häßliche Worte hervorstieß und haßerfüllte Handlungen ausführte, deren Heftigkeit sie oft erschreckten. Wenn Nilis oder eines der Häuslermädchen sie zur Verzweiflung gebracht hatten, war sie manchmal hierhergelaufen. Hier hatte sie Hilfe gesucht, ihren Zorn zu unterdrücken, während sie sonst die anderen halb umgebracht hätte. Bei Tag und Nacht gab ihr die Jungfrau ihre Ruhe zurück und verlieh ihr die Kraft, mit sich und den anderen zu leben, wie aufreibend dies auch sein mochte. An diesem Abend empfand sie wieder den Frieden und vergaß, warum sie hier war, bis Teras sie auf den Arm tippte und zur Eile mahnte. Sie blieb im Dunkel neben dem Tor zum Schrein stehen. Teras drückte sich eng an sie, als sie beide die massige Zylinderform des alten Kornspeichers betrachteten. Nach einer Weile rührte er sich, weil es ihn drängte, nun etwas zu unternehmen.
    »Siehst du etwas?« Besorgnis klang aus seiner Stimme. Er hatte einen Sinn, der ihr abging. Es war wie ein lautloser Gong, erklärte er ihr, wie ein riesiger Essensgong der wahnsinnig vibrierte, so daß man ihn nicht hören, sondern nur fühlen konnte. Er erklang nicht oft, aber wenn er wirklich laut war, bedeutete dies, ›mach daß du fortkommst‹, oder manchmal auch nur, ›paß auf, wo du hintrittst, hier lauert Gefahr‹.
    »Ein Gong?«
    »Ein Scheppern.«
    Tuli nickte. Sie lehnte sich an den Torpfosten, verengte die Augen zu Schlitzen und tastete die Dunkelheit auf der anderen Straßenseite ab. Zuerst sah sie nur den breiten, flachen Zylinder mit seinem Kegeldach. Dann nahm sie im Eingang eine schwache Bewegung wahr, als ob die Luft, die der Beobachter aufwühlte, über die Straße flutete und gegen ihr Gesicht waberte. Sie sah etwas Dunkles über einen Streifen rotgoldenen Lichts huschen und suchte das Gebäude ein letztes Mal langsam und sorgfältig ab, dann stieß sie die Luft aus, die sie angehalten hatte. »Eine Wache im Eingang. Das ist alles. Wenn wir hinten rausgehen, einen Bogen machen und vom Flußufer kommen, können wir über die Hofmauer klettern und unter die Fenster schleichen, von denen Har dir erzählt hat.« Sie runzelte die Stirn. »Er muß selbst über die Mauer geklettert sein, wenn man ihn nicht erwischt hat, aber vielleicht steht dort jetzt auch eine Wache.« Teras zuckte mit den Schultern. »Das werden wir erst wissen, wenn wir dort sind. Komm mit.«
     
    Tuli trabte leichtfüßig hinter den Geschäften entlang, die die Hauptstraße säumten. Teras folgte ihr. In einer Art Litanei zählte sie sie leise auf: Schuhmacher, Sattler, Dreher, Textilhändler, Eisenhändler, Schwarzschmied, Pferdehändler, Zuckerbäcker – eine Litanei des Vertrauten, Behaglichen, Unveränderlichen. Nur sie würde sich verändern, obgleich sie diese Veränderung gerne aufgehalten hätte. Sie schlug Bögen um Küchengärten und Macainställe, duckte sich unter Mondscheinhainen hinweg und schwenkte um leere Pferche, wo Marcainhändler ihre Waren beim Aufgangsmarkt feilboten. Sie fühlte ihr Blut brodeln; ihr Gesicht glühte trotz des kalten Windes. Sie atmete schnell, doch nicht vom Laufen, und das Herz schlug ihr in der Kehle vor Aufregung. Als sie noch ein Kind war, trug es ihr Dresche ein, bei nächtlichen Ausflügen erwischt zu werden, nun, seit sie ihre Monatsregel hatte, war die Gefahr weit größer.
Ich kann aus meiner Familie verstoßen und
völlig enteignet werden, so daß ich mir selbst meinen Lebensunterhalt verdienen muß. Arm, ausgehungert und zerschunden ende ich dann vielleicht in den Hinterzimmern bei Jango.
Sie unterdrückte ein Kichern, schwelgte in ihren Phantastereien und wußte die ganze Zeit über, daß Tesc, ihr Vater, sie viel zu sehr liebte, um ihr so etwas Übles anzutun.
    Sie führte Teras am Flußufer entlang zurück, bis sie an einen klapprigen Bastokanstand direkt hinter der Kornkammer gelangten. Dann tastete sie sich an der Mauer des rechteckigen Hinterhofes, soweit sie konnte, entlang und stieß

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