Duerers Haende
mit mörderischer Absicht.
»So, die Telefonlisten haben wir fürs Erste auch durch. Bleiben nur mehr die Kontobewegungen. Hat Herr Bartels gesagt, wann er wieder hier sein wird?«
»Nein. Jetzt hätte ich es beinahe vergessen, Frau Steiner: Der Herr Dennerlein hat angerufen und auch Dr. Grath. Sie möchten beide bitte zurückrufen.«
Sie wählte die Nummer der Gerichtsmedizin. Sofort meldete sich Dr. Grath und wünschte ihr einen »Guten Morgen«. Die Metamorphose des arroganten Kotzbrockens zum umgänglichen Menschen schien anzudauern. Er sagte ihr, dass er nun den exakten Todeszeitpunkt habe. Kramer starb um zwanzig Uhr plus/minus fünfzehn Minuten.
»Ich fürchte, Frau Steiner, den Bericht kriegen Sie frühestens morgen. Er wird im Übrigen auch nicht mehr beinhalten, als das, was ich Ihnen bereits am Tatort sagen konnte.«
»Lassen Sie sich Zeit mit Ihrem Bericht, Herr Dr. Grath, so lange Sie eben brauchen. Mit dem Todeszeitpunkt haben Sie mir bereits sehr geholfen.« Das stimmte zwar nicht, nach dem Gespräch des gestrigen Abends und seinen Erkenntnissen waren sämtliche Befunde aus der Tetzelgasse in den Hintergrund gerückt, auch die genaue Sterbezeit. Doch sie wollte der so verheißungsvollen Verwandlung des Dr. Grath nicht im Wege stehen. Er wünschte zum Abschied sogar noch »Alles Gute für Sie und für den Bestand Ihrer Kommission!«.
Der Anruf bei Klaus Dennerlein begann mit der triumphalen Verkündung: »Ich habe meinen Wagenheber!«
»Prima, Klaus, Gratulation. Also haben sie die Blahotova noch vor der Grenze erwischt?«
»Nein, erst in Prag. Ich hatte die Tschechen um Amtshilfe gebeten. Für die war das ganz einfach. Die hatten ihre Adresse, das heißt: die Adresse ihrer Eltern, bei denen sie noch gemeldet ist. Und vor deren Haus stand auch der Spider mit den ungültigen Nummernschildern. Innerhalb einer halben Stunde hatte ich die Antwort von den tschechischen Kollegen. Das lief hochprofessionell ab. Da sage mir noch mal einer was über die tschechische Poli…«
»Du bist gestern Abend gleich noch nach Prag gefahren?«, unterbrach sie ihn verwundert.
»Jawohl. Bin ich. Habe mir die Tatwaffe geholt, noch ein wenig mit den Kollegen geredet, dann ging es wieder retour. Da kann ich ganz giftig werden, wenn mir jemand meine Beweismittel vor der Nase wegschnappt!«
»Ich weiß, ich habe es gestern gemerkt. Dann hast du ja auch eine kurze Nacht hinter dir. Wann warst du wieder in Nürnberg?«
Sie griff nach Heinrichs Notizblock, schrieb darauf: »Bitte, Frau Brunner, checken Sie den Frey so bald als möglich durch, es eilt!« und hielt ihn der Mitarbeiterin so lange entgegen, bis diese nickte und Heinrichs Computer einschaltete.
»Kurz nach vier Uhr.«
»Erst nach vier Uhr!«, rief sie aus. »Da hast du ja maximal drei Stunden Schlaf erwischt.«
»Ich habe überhaupt nicht geschlafen. Ich bin gleich ins Präsidium gefahren. Bei uns daheim ist es nämlich momentan nicht so … gemütlich. Wenn du verstehst, was ich meine.«
»Ich kann es mir denken. Das tut mir leid, Klaus, richtig leid. Aber das ist sicher nur vorübergehend. Das wird schon wieder.« Kaum hatte sie den letzten Satz ausgesprochen, bereute sie ihn auch schon. Sie hatte Klaus etwas Tröstliches sagen wollen, und herausgekommen bei dieser gut gemeinten Absicht war nur die banalste aller Plattitüden, die seine prekäre Ehesituation zudem auf eine Stufe mit einer lästigen Krankheit stellte.
Doch Dennerlein schien ihren Fauxpas nicht registriert zu haben. »Ach ja, noch was. Susanka Blahotova wurde in Tschechien per Haftbefehl gesucht. Sie war mal eine Zeit lang mit dem Chef von irgend so einer kleineren Zigarettenschmugglerbande liiert. Als der gewaltsam von einem großen Tabaksyndikat aus dem Verkehr gezogen, sprich: ermordet wurde, hat die Blahotova noch schnell das Konto ihres Freundes leer geräumt und sich dann auf Nimmerwiedersehen ins Ausland abgesetzt. Warum die wieder nach Prag zurück ist und dann noch zu ihren Eltern, verstehe ich nicht. Die hat sich doch an ihren fünf Fingern ausrechnen können, dass sie da binnen Kurzem gefasst wird.«
Sie dagegen verstand die Rückkehr der Blahotova. Wohin sonst hätte die Tschechin, der nach Kramers Tod nur ein Oldtimer ohne gültige Kennzeichen geblieben war, auch gehen sollen als »nach Hause, in meine Heimat«?
»Aber das kann uns ja egal sein. Wichtig ist für uns: An dem Wagenheber sind Blutspuren von Shengali und Fingerabdrücke von Kramer, beides übrigens nicht
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