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Duerers Haende

Duerers Haende

Titel: Duerers Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Kirsch
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dann, denke ich, hat er einen ganz großen Fehler gemacht: Er sagte nämlich zu Kramer, er werde die Sache mit dem Zigarettenschmuggel in die Presse bringen, wenn Frey seine Kündigung nicht zurücknimmt.«
    Lange saß Stefanie Vitzthum gedankenverloren nur so da, mit gebeugtem Rücken und im Schoß gekreuzten Armen, bis sie den Grund für Shengalis »ganz großen Fehler« hinzufügte: »Er wollte eben mit allen Mitteln weiter dort arbeiten.«
    Abdulaziz Shengali, der Mann mit dem schönen Mund, musste sterben, weil er sich für eine »kleine Gefälligkeit« zu schade war und weil er seine Möglichkeiten überschätzte. Und weil er nicht damit rechnete, dass auch ein Mann mit angenehmen Manieren, einem verbindlichen Wesen und einem teuren Anzug ein skrupelloser Krimineller sein kann.
    »Und das hat Herr Shengali Ihrem Mann erzählt?«
    »Ja. Alles.«
    »Wie hat Ihr Mann reagiert?«
    »Er hat ihn darin bestärkt. Er fand, das sei eine gute Idee. Er hat sich wohl getäuscht. Aber konnte man das wissen, dass denen das so wichtig ist, dass sie sogar …«
    »… über Leichen gehen?«, vollendete sie den Satz, den Stefanie Vitzthum nicht aussprechen wollte. »Nein. Das konnte weder Ihr Mann noch Herr Shengali wissen.«
    Nach dieser trostspendenden Antwort wechselten die Kommissarin und ihre Zeugin kein Wort mehr. Saßen in beinahe einträchtigem Schweigen beisammen. Schließlich stand Paula Steiner auf und sagte: »Danke für Ihre Offenheit. Eine letzte Frage hätte ich noch: Seit wann wissen Sie davon?«
    »Seit Ihrem Besuch am vergangenen Mittwoch. Seit einer Woche. Wir, Chanim und ich, haben noch lang geredet, nachdem Sie gegangen waren. Erst da hat er mir alles erzählt. Ich war dann auch ziemlich verletzt, dass er mir das nicht schon viel früher gesagt hatte. Sonst haben wir nämlich keine Geheimnisse voreinander. Aber wenn es um seine Arbeit geht, ist Chanim manchmal etwas drollig. Das ist wahrscheinlich so ein Männerthema, wo man sich keine Blöße vor seiner Frau geben darf.«
    »Ja«, stimmte sie zu, »das ist ein weites Feld der Ehre. Da haben Sie vollkommen recht, Frau Vitzthum. Wird Ihr Mann denn bei Frey-Trans bleiben, wenn er seinen Arbeitsplatz dort behält?«
    »Nein. Seit letzter Woche schreibt er Bewerbungen. Und heute ist schon die erste Einladung zu einem Bewerbungsgespräch gekommen. Chanim könnte als Catering-Fahrer für den Nürnberger Flughafen arbeiten. Ich glaube, darüber wird er sich sehr freuen. Allein schon über das Interesse an ihm. Auch wenn daraus nichts werden sollte.«
    Der Abschied fiel kurz, aber herzlich aus. Sie war froh, dass Frau Vitzthum so viel Licht in das Dunkel dieses Doppelmordes gebracht hatte. Und auch diese schien erleichtert zu sein, ihr Wissen nun endlich der Person offenbart zu haben, die damit etwas Sinnvolles anfangen konnte.
    Sie raste heim, in den Vestnertorgraben, eilte in den Keller, griff zielsicher in das unterste Fach ihres Weinregals und zog die einzige, verstaubte Flasche, die dort schon seit drei Jahren lagerte, hervor. Einen 2007er Vouvray Tête de Cuvée Brut aus dem Loire-Tal. Nur so etwas Extravagantes wie ein Schaumwein schien ihr passend, um diesen außergewöhnlichen Tag stilgerecht zu Ende zu bringen. Sie stürzte die Treppe hinauf, schüttelte die Flasche kurz, ließ den Korken mit einem lauten Knall an die Decke springen und nahm den ersten Schluck gleich aus der Flasche. Dann erst holte sie aus dem Wohnzimmer eine Sektschale und füllte sie mit dem süffigen Chenin blanc. Eine halbe Stunde später stand neben der Sektschale auf dem Küchentisch auch die passende Beilage – ein gebratenes Tomaten-Omelett mit Paprikastreifen. Sie verschlang die laut Rezeptangabe »vollwertige Mahlzeit für zwei Personen« innerhalb von drei Minuten, zündete sich eine Zigarette an und starrte auf die in düsterem Grau vor ihr liegende Kaiserstallung.
    Sie dachte über das Gespräch mit Stefanie Vitzthum nach. So eine simple Erklärung für all die Ungereimtheiten, die scheinbaren und die realen, dieses Doppelmords. Warum war sie da nicht von selbst darauf gekommen? Sie wusste doch, wie dieses Geschäft ablief und welche Dimensionen es hatte und immer noch hat.
    Schon bei dem Stichwort Albanien hätte sie hellhörig werden müssen. Der zerfallene Balkan als Brutstätte des organisierten Verbrechens und als Dauerparadies für den Zigarettenschmuggel. Wo Politik und Kriminalität so eng miteinander verknüpft waren, dass Regierungsbeamte auf allen Ebenen in den

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