Dumm gelaufen, Darling
Pur.“
Ty zog überrascht eine Augenbraue hoch. „Da muss ja was Großes im Gange sein, wenn du deinen gepflegten Drink für härteren Stoff eintauschst. Und dabei wollte ich dir gerade zu deinem gewonnenen Fall gratulieren, doch wenn du feiern wolltest, würdest du keinen Whiskey bestellen.“
Hunters Gesicht blieb umwölkt. Er schien mit den Gedanken meilenweit weg zu sein und dachte ganz offensichtlich nicht an seinen großen Erfolg von heute.
Ty ging davon aus, dass er früh genug erfahren würde, was seinen Freund belastete. Wenn Hunter ein Problem hatte, grübelte er immer ziemlich lange darüber nach, bevor er sein Herz ausschüttete.
„Kannst du dich daran erinnern, wie ich als Pflegekind zu euch kam und mit dir das Zimmer teilte?“, fragte Hunter.
Ty war überrascht. „Na klar erinnere ich mich. Aber das ist lange her, und es hat sich viel verändert. Zum Beispiel sahst du damals anders aus. Herrje, du warst jemand anderes!“
Daniel Hunter war als sehr reizbarer und verschlossener Sechzehnjähriger zu den Bensons gekommen. Für ihn war damals klar gewesen, dass niemand auf der Welt ihn lieben würde. Er hatte sich geirrt. Hunter war fast ein Jahr bei Tyler und seiner Mutter geblieben und für beide zu einem Teil der Familie geworden.
Hunter nickte. „Ich versuchte, anders zu werden. Irgendwie besser.“
Ty blickte den Freund an und verstand seine Begründung. Er hatte sich sehr angestrengt, um ein aufrechter Anwalt und ein geachtetes Mitglied der Gemeinde zu werden – und es war ihm gelungen. Heute Abend trug er dunkle Jeans, die neu und gebügelt wirkten, dazu ein schickes Rugby-Shirt. Für Hunter war seine Kleidung ein Ausdruck des Mannes, zu dem er sich entwickelt hatte.
„Du magst dich zwar anziehen wie ein adretter Collegeboy, aber im Herzen bleibst du ein Straßenjunge,“ neckte ihn Ty. Doch waren sie gerade deshalb all die Jahre so eng befreundet geblieben. „Was ist denn passiert, dass du gerade jetzt die Vergangenheit heraufbeschwörst?“, fragte Ty.
„Einiges. Und nicht nur ich muss mich erinnern, sondern ich möchte, dass auch du zurückdenkst.“
„Ich erinnere mich, wie Mom dich aufgenommen hat“, erwiderte Ty.
„Wir waren so unterschiedlich, dass ich dachte, du würdest mich im Schlaf umbringen“, lachte Hunter trocken.
„Du kannst froh sein, dass ich das nicht getan habe.“ Ty grinste. Seine Erinnerung an Hunters erste Nacht bei den Bensons war immer noch sehr lebendig.
„Das Kind in der vorherigen Pflegefamilie hatte mir in den Hintern getreten, kaum dass seine Mutter aus der Tür war. Du hast mir nur ein Kissen zugeworfen und mich gewarnt, nicht zu schnarchen“, schmunzelte Hunter.
„Was du dennoch getan hast.“ Ty lachte auf.
Äußerlich hätten die beiden nicht unterschiedlicher sein können – Ty mit seinem langen dunklen Haar und der olivfarbenen Haut seiner Mutter und Hunter mit seinem sandfarbenen Haar und der blassen Haut. Doch sie hatten sich gefunden. Sie waren einander ähnlich genug, um sich zu einer Allianz zusammenzuschließen. Denn Ty fasste genauso schwer Vertrauen wie Hunter.
Wie konnte er auch, wo doch die gebrochenen Versprechen seines Vaters seine ganze Kindheit bestimmt hatten? Natürlich werde ich bei deinem Spiel dabei sein. Ich hole dich vom Training ab. Ja, ja – wenn ihn nicht seine Spiel- und Wettsucht davon abgehalten hätten, dachte Ty bitter. Sein Vater war notorisch unzuverlässig gewesen. Trotzdem war Ty auf den letzten Tritt nicht gefasst gewesen.
Er war in der Woche zuvor gerade neun geworden, als sein Vater ihm versprochen hatte, ihn vom Basketballtraining abzuholen. Ty war nicht überrascht, als er mitten im Winter allein auf dem Parkplatz stand. Es war ja nicht das erste Mal. Also kauerte er sich unter einen Laternenmast und wartete darauf, dass sein Vater mit den üblichen Entschuldigungen und Ausflüchten auftauchte. Als das nicht geschah, lief Ty schließlich zum nächsten Geschäft, um von dort seine Mutter anzurufen. Gemeinsam fanden sie heraus, dass sein Vater sich aus dem Staub gemacht hatte.
Zum ersten Mal in seinem Leben hatte Joe Benson einen Brief hinterlassen. Zurück blieb auch ein enttäuschter Ty, der Versprechen fortan nur noch misstraute. Bis Hunter in seine Familie kam und wenig später auch Lilly.
Bevor er sich weitere Gedanken gestattete, wandte er sich wieder seinem Freund zu. „Was führt dich denn ausgerechnet jetzt zurück in die Vergangenheit?“, fragte Ty und goss seinem Freund den
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