Dumm gelaufen, Darling
Vorschlag von ihm gekommen war, hatte sie seine Anweisungen befolgt. Sie hatte niemals Kontakt zu ihm aufgenommen. Auch nicht, als sie erwachsen geworden war, ihren einundzwanzigsten Geburtstag gefeiert und nichts mehr von ihrem Onkel zu befürchten hatte. Und auch nicht Jahre später, als sie eine unabhängige Frau war, die ihre eigenen Entscheidungen traf.
In den Nächten, in denen er daran dachte, redete er sich ein, dass seine Gefühle für sie nicht mehr gewesen waren als „jugendliche Schwärmerei“ – so nannten die Eltern von davongelaufenen Teenagern, wie er sie heute oft aufspürte, die hormonellen Verirrungen ihrer Kinder. Und er versuchte, sie sich selbst auszureden: Sie konnte nicht so hübsch sein, wie er sie in Erinnerung hatte. Ihre Haut konnte nicht so weich sein. Ihr Duft würde ihm nicht mehr die Sinne rauben. All diese Dinge mussten eine Illusion sein, Projektionen dessen, was Lilly damals gewesen war. Eine wohlhabende Erbin, deren Vormund sie aus dem Haus getrieben und ihr das Vermögen vorenthalten hatte, sodass sie auf sich gestellt war und darauf angewiesen, dass sich jemand um sie kümmerte.
Ty hatte diese Rolle bereitwillig übernommen, doch tief in seinem Inneren wusste er, dass Lilly stärker war, als er glaubte, und ihn nicht so sehr brauchte, wie er sich das wünschte. Sie war in die Stadt gegangen und hatte sich dort eine Existenz aufgebaut. Sie war keinesfalls die zerbrechliche Prinzessin, die er auf ein Podest gehoben hatte – Gott sei Dank war sie das nicht, sonst hätte sie es nicht geschafft. Während er von dem Geld gelebt hatte, das seine Mutter niemals hätte annehmen dürfen …
„Ich wusste, dass das hier für keinen von uns einfach sein würde“, sagte Hunter. „Aber du bist etwas grün um die Nase. Geht es dir gut?“
Ty räusperte sich. „Ich bin in Ordnung. Wie hast du das mit Dumont erfahren?“
„Indirekt durch Molly Gifford.“
„Die Kleine, die du vom Studium her kennst?“
Hunter nickte. „Ich lief ihr heute im Gerichtsgebäude in die Arme.“
„Hat sie schon in ein Date eingewilligt?“, lachte Ty, der sicher war, dass sein Freund es zumindest wieder versucht hatte.
„Nein, aber ich mache Fortschritte. Unglücklicherweise ist der Zeitpunkt für ihren Sinneswandel denkbar ungünstig. Ihre Mutter wird Dumont heiraten, was sie zu meiner einzigen Informationsquelle über den Mann macht.“ Er rutschte unbehaglich auf seinem Sitz hin und her. Offensichtlich gefiel ihm die Rolle, die er übernehmen sollte, nicht sonderlich.
„Kein Witz? Mollys Mutter heiratet den Mistkerl?“
Statt einer Antwort kippte Hunter seinen Drink mit einem Schluck hinunter.
„Dann wirst du deinen Charme spielen lassen müssen.“
„Und sie wird mich sofort durchschauen“, erwiderte Hunter und winkte ab. Trotz seines frechen Grinsens war er offensichtlich nicht sehr erfreut über die Verbindung.
Ty schenkte seinem Freund nach. „Aber du tust es, um Lilly zu helfen?“
Hunter senkte den Kopf. „Habe ich eine Wahl? Wir drei sind miteinander verbunden. Ich habe ihr damals geholfen, und ich helfe ihr jetzt.“
Weil auch ihm Lilly am Herzen lag. In all den Jahren ihrer Freundschaft hatten sie nicht über Hunters unerwiderte Gefühle gesprochen oder über die Konkurrenz zwischen den Freunden, die niemals hatte aufbrechen können. Ein weiterer Grund, warum Lillys Rückkehr für alle Beteiligten unangenehm sein würde.
„Dann sind wir uns einig?“, fragte Ty. „Dumont hat kein Recht auf das Geld.“ Ty wiegte seinen Kopf hin und her, um die steifen Nackenmuskeln zu lockern. Doch die Anspannung blieb. Sein Leben würde sich dramatisch ändern.
„Wir sind uns einig. Doch du hast recht. Wir hätten an die Zukunft denken sollen“, sagte Hunter. „An ihren Treuhandfonds und an das, was nach vielen Jahren geschehen würde. Haben wir aber nicht. Lilly wird mit diesem Teil ihres Lebens irgendwie umgehen müssen.“
Und dabei ihrer aller Leben umkrempeln, dachte Ty.
„Lilly muss davon erfahren“, sagte Hunter mit ruhiger Bestimmtheit.
„Lacey. Sie heißt jetzt Lacey“, erwiderte Ty, der sich innerlich schon darauf vorbereitete, jener Frau zu begegnen, zu der Lilly geworden war.
„Lacey muss erfahren, dass Dumont sie offiziell für tot erklären lassen will, um mit dem Geld ihrer Eltern auf großem Fuß zu leben.“
Tys Schläfen begannen wieder zu pochen. Hunters Worte erinnerten ihn daran, dass seine Mutter genau das getan hatte.
Hunter musterte Ty
Weitere Kostenlose Bücher