Duncans Lady
Hand aus. „Ich war wie vernagelt. Du hast mir immer wieder bewiesen, dass du recht hast, aber ich habe einfach alles ignoriert, das ich nicht sehen wollte.“
Sie schloss die Augen. Er berührte ihre Wange. Sanft wie eine Feder. Dieses Mal wich sie nicht zurück.
„Es gibt so vieles, das ich nicht sehen wollte“, sagte er. „Aber jetzt beginne ich zu verstehen.“
16. KAPITEL
Mara schloss die Augen. Sie fühlte Duncans Fingerspitzen an ihrer Wange und seine Worte in ihrem Herzen.
Und sie spürte, wie die Grenzen, die die Gegenwart und die Zukunft voneinander trennten, sich verschoben.
„Fass mich nicht an!“, keuchte sie. „Geh weg von mir, Duncan!“
Sie trat zurück. Plötzlich zitterte sie so heftig, dass sie fürchtete, ihre Beine würden sie nicht länger tragen. Sie öffnete die Augen und sah, wie schockiert er war. Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck, er zeigte Schmerz und schließlich Ärger. „Schon gut, keine Angst“, sagte er ruhig, aber der Unterton seiner Stimme klang falsch. Genauso gut hätte er sie schlagen können.
„Du verstehst mich nicht.“
„Das ist möglich. Oder vielleicht verstehe ich doch. Endlich.“
Sie bemühte sich, es ihm zu erklären. „Als du mich berührt hast …“
„Was? Hat es dich etwa angewidert? Ich werde es mir merken, und ich werde es bestimmt nicht wieder tun.“
„Nein!“ Schwindelgefühl überwältigte sie. Sie konnte sich dem Unausweichlichen nicht länger entziehen. Es war, als versuchte sie einen reißenden Strom aufzuhalten. „Geh weg von mir! Bitte!“
„Mara? Um Himmels willen, was ist los?“ Er trat näher. Seine Miene änderte sich erneut. Der Ausdruck von Wut wurde durch Sorge verdrängt.
Ihre Knie gaben nach und sie sank zu Boden. Sie legte ihren Kopf zurück, aber das verstärkte das Schwindelgefühl nur noch.
Dann sah sie den Nebel. Dicke wirbelnde Nebelschwaden. Sie zitterte, weil ihr plötzlich so kalt war, kälter als je zuvor in ihrem Leben. Aber es war nicht ihr Leben, auch nicht das von irgendjemandem, den sie kannte. Sie war irgendwo, wo sie noch nie gewesen war, und die verschiedenen Zeitebenen schienen sich ineinander zu verkeilen.
Sie hörte Schreie, und Übelkeit überwältigte sie. Sie wollte auf die Schreie zugehen, um zu helfen, aber sie war wie festgewachsen und konnte sich nicht von der Stelle rühren.
Jemand rannte durch den Nebel auf sie zu. Sie konnte das Geräusch von knirschenden Schritten im Schnee ausmachen. Unter ihren Füßen war Schnee, jetzt sah sie es. Und der Nebel war gar kein Nebel, sondern ein Schneesturm. Das Gesicht einer Frau materialisierte sich aus den wirbelnden Flocken. Sie war jung und hatte offensichtlich entsetzliche Angst. Mit wehenden Haaren rannte sie durch den Sturm, eine Verletzung färbte ihre Wange dunkel. Während Mara sie ansah, umschloss eine Hand ihr Haar, und die Frau schrie auf.
„Mara? Was ist los?“
Sie zuckte zusammen und fand sich in der Gegenwart wieder. Sie spürte, dass Duncan neben ihr kniete. Hinter sich hörte sie ein Pochen, aber sie konnte die Augen nicht öffnen. Fluchend stand er auf und ging zur Tür. Sie hörte Stimmen.
Duncan sagte: „Nein, verdammt, ich weiß nicht, was los ist.“
Die Stimme einer Frau antwortete: „Ist es Miss Mara? Ich habe sie schreien gehört. Ist sie krank?“
„Würden Sie bitte Dr. Sutherland holen? Bitten Sie ihn, sofort zu kommen, wenn es geht. Und holen Sie ihn, nicht seinen Kollegen.“ Duncan knallte die Tür zu.
Sie holte tief Luft. Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. „Komm mir nicht zu nahe, Duncan!“, sagte sie. „Bleib, wo du bist.“
„Um Himmels willen, sag mir warum! Was ist geschehen?“
Wieder umschloss sie der Nebel. Sie konnte nicht sprechen. Sie wimmerte, als die weißen Schwaden sie erneut aus der Gegenwart rissen. Sie hörte Männer reden. Sie strengte sich an, um ihre Worte zu verstehen, aber sie waren nahezu unverständlich. Sie unterhielten sich in einer Mischung aus Englisch mit einem starken Akzent und einer anderen Sprache. „Gälisch.“ Sie presste das Wort heraus, aber es brachte sie nicht in die Gegenwart zurück. Stattdessen klarte sich die Szenerie auf. Jetzt sah sie Rauch, vermischt mit Schnee. Dichter, erstickender Rauch. Sie begann zu keuchen und versuchte, sich vom Rauch fortzubewegen, aber sie war gefangen. Der Rauch brannte in ihren Augen, und sie begann zu weinen. Dann hörte sie ein Kind weinen.
„April!“ Sie versuchte zu laufen. Irgendwie gelang es
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