Duncans Lady
1. KAPITEL
Einen Moment lang waren die Hügel unterhalb des Gipfels, auf dem Mara stand, mit hellen Flecken aus Sonnenlicht gesprenkelt. Im nächsten Augenblick rasten Schatten und zerrissene, unruhige Nebelfetzen über sie hinweg. Schaudernd zog sie ihren langen Umhang fester um sich und machte sich auf den Heimweg.
Als Kind hatte Mara einmal den Süden Englands besucht. Überrascht hatte sie festgestellt, dass die Nacht dort mit einer ruhigen, geordneten Regelmäßigkeit hereinbrach, selbst im Sommer. Noch mehr als im Rest von Schottland schienen hier in den Highlands die Tage entweder nur aus Dunkelheit zu bestehen oder es wurde überhaupt nicht richtig Nacht. Jetzt, wo der Winter beinahe vorüber war, senkte sich der schwarze Samtvorhang, der den Nachmittag auslöschte, immer später, aber die Tage waren ihr noch immer nicht lang genug.
Guiser, der Border Collie, den Mara im vorigen Jahr gegen ein Dutzend Stränge handgesponnener Wolle eingetauscht hatte, gesellte sich zu ihr. Ihre kleine Schafherde war sicher in dem steinernen Pferch hinter ihr untergebracht, und die Kühe standen in ihrem Stall. Nach dem Tee würde Guiser seine Aufgabe als Hütehund wieder erfüllen, aber bis dahin hatte er sich eine Pause verdient.
„Aye, es wird Zeit, dass wir nach Hause kommen“, stimmte sie zu. „Ich habe einen ganzen Eimer Reste für dich, und für mich köchelt eine Suppe auf dem Herd.“ Guiser trottete neben ihr den Hügel hinauf und den windigen Pfad entlang, der bis zum strohgedeckten Cottage führte, das Mara ihr Zuhause nannte. Im Inneren des Häuschens streckte er sich vor dem Feuer aus, aber sein Blick folgte ihr, als sie zum Küchenschrank ging.
„Das wird dir schmecken. In ganz Glasgow und Edinburgh findest du nichts Vergleichbares. Du wirst speisen wie ein König.“
Sie nahm eine Schüssel mit Essensresten, die sie seit dem Morgen gesammelt hatte, und ging zu seinem Napf. Sie wollte ihn gerade füllen, als ihre Hand mitten in der Luft erstarrte. Als das vertraute Gefühl sie überkam, schloss sie die Augen.
Sie versuchte, sich auf irgendetwas zu konzentrieren, den Duft der köchelnden Suppe oder den beißenden Geruch des Torffeuers. Dabei wusste sie doch, wie nutzlos es war, sich gegen die Bilder zu wehren, die langsam in ihrem Kopf entstanden.
Guiser knurrte. Dann sprang er auf und lief zur Tür, die Mara nicht ganz hinter sich geschlossen hatte. Er zwängte seine Schnauze in den Spalt, stieß die Tür auf und war im nächsten Moment verschwunden.
Inzwischen war es dunkel geworden. Mara trat ans Fenster, aber sie konnte nichts sehen außer Dunkelheit und Schwärze. Sie folgte Guiser im Geiste. Wie ein schwarz-weißer Fleck flitzte der Hund den Hügel hinab in Richtung Straße. Das war der einzige Weg den Beinn Domhain hinauf. Aus der Ferne beobachtete Mara, wie das Tier schweigend patrouillierte und auf etwas wartete, ohne zu wissen, worauf.
Es war nicht das erste Mal, dass der Hund die Gefühle seiner Herrin wahrnahm. Wie konnte er wissen, dass sie spürte, was geschehen würde? Sie stellte sich vor, dass sie ihm ihre Ahnung auf irgendeine Weise mitteilte. Er war ein außergewöhnlich intelligentes Tier. Sie hatte ihn Guiser genannt, ein schottisches Wort für jemanden, der sich verkleidet hatte, weil sie davon überzeugt war, dass er nicht einfach nur ein Hund war. Natürlich war das albern, vor allem, da kein Mensch, den sie je näher kennengelernt hatte, so ein feines Gespür hatte wie Guiser.
Die Eindrücke wurden intensiver, und sie hörte auf, sie zu bekämpfen. In ihrem Geist zeichnete sich das Bild eines Mannes ab. Er war groß, aber nicht riesig. Muskulös, aber kein Gewichtheber. Sie war Spinnerin und Färberin, und sie verglich Farben stets mit dem, was sie auf dem Land und im Himmel sah. Die Haare des Mannes waren braun wie der Schatten eines Waldes, und die Augen hatten das klare, schillernde Grau, das man manchmal am Rand von Gewitterwolken sah.
Seinen Namen kannte sie nicht.
Mara fragte sich, warum sie eine Vision dieses Mannes hatte, eines Fremden. Unbehagen erfüllte sie. Dann verschwand er so plötzlich, wie er aufgetaucht war, aus ihrem Geist, und sein Gesicht wurde durch ein anderes ersetzt. Dieses Gesicht kannte sie. Es gehörte Geordie Smith, der allein in einem Bauernhaus an der Straße nach Druidheachd lebte. Wenn eine halbe Flasche Whiskey sein Inneres wärmte und die Berge und Täler seiner geliebten Highlands sich zu seinen Füßen ausdehnten, hielt er sich für
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