Dune 02,5 - Stürme des Wüstenplaneten
zu verlieren.
Die meiste Zeit seines Lebens hatte Gurney Halleck dem Haus Atreides gedient. Noch vor Pauls Geburt hatte er mitgeholfen, die Tleilaxu zu besiegen und den Anspruch des Hauses Vernius auf Ix zu bekräftigen. Später hatte er an Herzog Letos Seite im Assassinenkrieg gegen Graf Moritani gekämpft. Auf Arrakis hatte er versucht, die Atreides gegen den Verrat der Harkonnens zu schützen. Und in den Jahren des Djihads hatte er Paul treue Dienste geleistet, bis er sich aus dem aktiven Kampf zurückgezogen hatte und nach Caladan gekommen war. Er hätte wissen müssen, dass die Schwierigkeiten nicht vorbei waren.
Und jetzt war Paul tot. Der junge Herr war in die Wüste gegangen ... allein und blind. Gurney war nicht für ihn da gewesen. Jetzt wünschte er sich, er wäre auf dem Wüstenplaneten geblieben, trotz seiner Abscheu vor den ständigen Gemetzeln. Es war so egoistisch von ihm gewesen, den Djihad und seine Pflichten im Stich zu lassen! Paul Atreides, Herzog Letos Sohn, hätte ihn bei diesem epischen Kampf gebraucht, und Gurney hatte ihm einfach den Rücken zugekehrt.
Wie kann ich diese Schande jemals vergessen?
Er sprang planschend durch feuchtes Sumpfgras, als er unvermittelt die Gazehunde einholte, die bellend und jaulend vor einem Sumpfhasen mit grauem Fell standen, der seinen borstigen Körper in einem Spalt unter einem moosbewachsenen Überhang aus Kalkstein verkeilt hatte. Die sieben Hunde warteten auf Gurney und ließen den verängstigten Hasen nicht aus den Augen. Sie kamen nicht an das Tier heran, aber es konnte ihnen auch nicht mehr entkommen.
Gurney zog seine Jagdpistole und tötete den Sumpfhasen mit einem schmerzlosen Schuss in den Kopf. Dann zog er den warmen, noch zuckenden Kadaver heraus. Die wohlerzogenen Gazehunde beobachteten ihn mit Topasaugen, die aufmerksam leuchteten. Gurney warf das Tier zu Boden, und als er das Zeichen gab, stürzten sich die Hunde auf die Beute. Sie schlugen die Zähne ins Fleisch, als hätten sie seit Tagen nichts gefressen. Schnell zupackende Raubtiere.
Die Erinnerung an ein blutiges Schlachtfeld des Djihads blitzte in Gurneys Geist auf, und er verscheuchte sie mit einem Blinzeln. Er verbannte diese Bilder zurück in die Vergangenheit, wo sie hingehörten.
Doch es gab noch andere Erinnerungen, die er nicht unterdrücken konnte, all das, was ihm fehlen würde, wenn Paul nicht mehr da war, und er spürte, wie seine Kriegerpersönlichkeit zusammenbrach. Paul, der eine so überragende, unersetzliche Rolle in seinem Leben gespielt hatte, war einfach in die weite Wüste entschwunden, wie ein Fremen-Krieger, der sich dem Zugriff der Harkonnens entzog. Diesmal würde Paul nicht mehr zurückkehren.
Als er beobachtete, wie die Gazehunde das Fleisch zerrissen, hatte Gurney das Gefühl, auch ihm würden Stücke aus dem Körper gerissen, die blutige, klaffende Wunden hinterließen.
Als sich in dieser Nacht Dunkelheit und Stille über Burg Caladan gelegt hatten, zogen sich die Bediensteten zurück, damit Jessica für sich trauern konnte. Doch sie fand keinen Schlaf, keinen Frieden in ihrem leeren, kalten Schlafgemach.
Sie fühlte sich aus der Bahn geworfen. Ihre Bene-Gesserit-Ausbildung hatte dafür gesorgt, dass ihre emotionalen Ventile nach langem Nichtgebrauch zugerostet waren, vor allem seit Letos Tod, nachdem sie Arrakis verlassen und hierher zurückgekehrt war.
Aber Paul war ihr Sohn!
Mit lautlosen Schritten glitt Jessica durch die Gänge der Burg bis zur Tür von Gurneys Privatzimmer. Dort hielt sie inne. Sie wollte mit jemandem reden. Mit Gurney konnte sie über ihren gemeinsamen Verlust sprechen und überlegen, was jetzt zu tun war, wie sie Alia helfen konnten, das ohnehin instabile Imperium zusammenzuhalten, bis Pauls Kinder erwachsen waren. Welche Zukunft konnten sie für diese Zwillingskinder vorbereiten? Die Stürme des Wüstenplaneten – sowohl die politischen als auch die meteorologischen – konnten einem Menschen das Fleisch von den Knochen schmirgeln.
Bevor sie an die schwere Tür klopfte, hörte Jessica zu ihrer Überraschung seltsame Geräusche aus dem Zimmer – wortlose, tierhafte Laute. Erschrocken wurde ihr klar, dass Gurney schluchzte. Allein auf seinem Zimmer ließ der stoische Troubadour-Krieger seinem Kummer mit beunruhigender Heftigkeit freien Lauf.
Noch viel mehr verstörte Jessica, dass ihre eigene Trauer nicht annähernd so tief oder unbeherrscht war. Sie war wie etwas Fernes, das weit außerhalb ihrer Reichweite lag. Der
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