Dunkle Gier: Roman (German Edition)
viel zu viel von einem Raubtier in ihm gewesen, als dass ein Pferd ihn auf sich hätte reiten lassen. Damals hatte er alles versucht – mit Ausnahme von psychischem Zwang -, um das zu erreichen, aber kein Pferd hatte ihn ertragen können. Die Tiere scheuten und erzitterten unter ihm, selbst wenn er sich die größte Mühe gab, sie zu beruhigen.
Marguarita hingegen segelte mühelos über Zäune, ohne Zaumzeug oder Sattel, und Pferd und Reiterin strahlten jugendlichen Überschwang und Freude aus. Zacarias folgte ihnen, als sie über den unebenen Boden preschten. Die anmutige Gangart des Pferdes ließ es so aussehen, als schwebten sie. Marguarita warf die Hände in die Luft, als sie einen weiteren Zaun übersprangen. Sie hielt sich nur mit den Knien an dem Pferd fest und lenkte es mit ihren Gedanken.
Der Paso wechselte wieder geschmeidig seine Gangart, als sie über das Feld jagten und er in einem weiten Bogen umkehrte. Marguarita winkte dem Adler fröhlich zu, und wieder durchfluteten Freude und Wärme Zacarias. Er hatte dieser Frau sein Blut gegeben, aber nie welches von ihr genommen. Doch nun lief ihm das Wasser im Mund zusammen, seine Zähne wollten sich verlängern, und rasender Hunger überfiel ihn und griff auf jede seiner Zellen über. Abrupt legte der Adler sich in die Kurve und flog zum Stall zurück. Zacarias wollte auf gar keinen Fall riskieren, die Kontrolle zu verlieren.
Schon einmal war er viel zu nahe dran gewesen, den letzten Rest seiner Seele aufzugeben, der ihm geblieben war. Er hatte seinen Brüdern sein Wort gegeben und würde es halten. Kein Karpatianer würde sein Leben riskieren müssen, um Jagd auf Zacarias de la Cruz zu machen. Er entschied selbst über sein Schicksal, und er hatte sich dafür entschieden, seine Ehre zu retten. Er würde in die Morgendämmerung treten und hoch erhobenen Hauptes den Tod begrüßen. Sein letztes Bild in diesem Leben würde das der zurückkehrenden Frau sein – der jungen Marguarita, die auf einem wunderschönen Pferd über den Boden schwebte und dabei Licht und Wärme ausstrahlte. Dieses Bild würde er mit in den Tod nehmen.
Der Haubenadler landete anmutig auf dem Boden neben dem Stall. Ohne die verängstigten Pferde auf der angrenzenden Koppel zu beachten, nahm Zacarias wieder seine menschliche Gestalt an. Er war ein großer, muskulöser Mann mit langem Haar. Tiefe Linien prägten sein Gesicht. Einige bezeichneten ihn als auf eine fast schon animalische Weise gut aussehend. Manche sagten, sein Mund sei sowohl sinnlich als auch grausam. Die meisten jedoch fanden Zacarias de la Cruz beängstigend. Im Moment war er müde – so müde, dass er sich am liebsten gleich hier in das kühle Gras hätte fallen lassen.
Er zwang sich jedoch, sich zu bewegen und nach einem geeigneten Platz umzusehen, wo er sitzen und die Sonne über dem Dschungel aufgehen sehen konnte. Sehr langsam ließ er sich auf die weiche Erde sinken, ohne sich darum zu scheren, dass die Feuchtigkeit des morgendlichen Taus ihm in die Kleider drang. Er hielt sich ebenso wenig damit auf, seine Körpertemperatur zu regulieren, wie er sich zuvor um seine Wunden gekümmert hatte. Es erfüllte ihn mit Zufriedenheit, eine Entscheidung zu treffen. Zum ersten Mal in seinem Leben war er ohne die Beschwerlichkeiten der Verantwortung. Er zog die Knie an, faltete die Hände und legte das Kinn auf die kleine Plattform, die er so geschaffen hatte. In dieser Haltung sah er Pferd und Reiterin zu. Völlig mühelos ging der Paso von einer der natürlichen Gangarten, für die diese Pferderasse so berühmt war, zu einer anderen über.
Zacarias spürte das Prickeln der Sonne auf der Haut, aber es war nicht die schreckliche Empfindung, die er sein ganzes Leben lang verspürt hatte. Solange hatte ihm zweimal etwas von ihrem Blut gegeben, um ihn davor zu bewahren, zum Vampir zu werden. Er hatte jedoch sorgfältig darauf geachtet, kein Blut mehr von ihr anzurühren, seit er gemerkt hatte, dass er die Morgenstunden im Freien verbringen konnte, ohne die Auswirkungen der Helligkeit zu spüren. Andere seiner Spezies konnten die Morgendämmerung sehen, und es gab auch einige, die sich sogar ohne Solanges Hilfe auf den morgendlichen Straßen aufhalten konnten, doch da seine Seele so dunkel war, hatte Zacarias schon vor langer Zeit die Angewohnheit der Vampire übernommen, das frühmorgendliche Sonnenlicht zu meiden.
Begierig nahm er Marguaritas Anblick in sich auf und fühlte sich dem Glück so nahe wie ein Mann, der keine
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