Dunkle Sehnsucht des Verlangens
um
die verwirrenden Gedanken zu vertreiben. In seinem erbitterten, unnachgiebigen
Kampf erinnerte der Panter ihn nur allzu sehr an Gregori. Warum wollte es ihm
nicht gelingen, diesen Gedanken abzuschütteln, der doch so völlig absurd war?
War es etwa einem anderen Karpatianer gelungen, sich vor seinem eigenen Volk
zu verstecken? Hatte er einige hundert Jahre lang in der Erde geruht und war
nun unbemerkt wieder aufgetaucht?
Julian versuchte, sich an die
Dinge zu erinnern, die er über Gregoris Familie wusste. Als die Türken in die
Karpaten eingefallen waren, hatten sie Gregoris Eltern getötet. Auch Mikhail,
der Prinz und Anführer des karpatianischen Volkes, hatte seine Eltern auf diese
Weise verloren. Die Türken hatten ganze Dörfer dem Erdboden gleichgemacht.
Enthauptungen waren an der Tagesordnung gewesen, ebenso wie gepfählte Leichen.
Selbst kleine Kinder waren nicht verschont worden. Folter und Vernichtung
hatten zum grausamen, gnadenlosen Alltag gehört - für Karpatianer und
Sterbliche gleichermaßen.
Das karpatianische Volk war
beinahe vernichtet worden. In jenen blutigen Schreckenstagen hatten sie viele
ihrer Frauen, etliche Männer und fast alle Kinder verloren. Das war der
furchtbarste Schlag für sie gewesen. Eines Tages hatte man die karpatianischen
Kinder und die Kinder der Sterblichen in einer Strohhütte zusammengepfercht,
die dann in Brand gesteckt worden war. Mikhail und seine beiden Geschwister
waren dem Massaker entkommen, doch Gregori hatte nicht so viel Glück gehabt. Er
verlor seinen sechsjährigen Bruder und seine kleine Schwester, die noch keine
sechs Monate alt gewesen war.
Julian atmete tief durch und
versuchte, sich an jeden Karpatianer zu erinnern, dem er je begegnet war, um
den seltsamen schwarzen Panter irgendwo einzuordnen.
Ihm fiel eine Legende ein, die
von zwei alten karpatianischen Jägern erzählte. Vor etwa fünf- oder
sechshundert Jahren waren die Zwillingsbrüder spurlos verschwunden, und die
Legende besagte, dass einer von ihnen zum Vampir geworden war. Bei dem
Gedanken stockte Julian der Atem. Ob der Vampir noch am Leben war? Hätte er
einem so mächtigen Gegner relativ unbeschadet entkommen können? Julian
bezweifelte es.
Verzweifelt versuchte Julian,
sich an irgendetwas Nützliches zu erinnern. Hatte es ein Kind gegeben, an das
er im Augenblick nicht dachte? Aber wäre nicht jeder Karpatianer aus Gregoris
Familie viel zu mächtig, um unentdeckt zu bleiben? Wenn die Möglichkeit
bestand, dass einer von Gregoris Angehörigen noch lebte, hätten die anderen
Karpatianer nicht längst davon erfahren? Julian selbst war auf seinen weiten
Reisen nie einem Karpatianer begegnet, den er nicht gekannt hatte. Sicher gab
es Gerüchte, dass vielleicht irgendwo andere Karpatianer lebten, unentdeckt
von ihrem eigenen Volk, doch Julian hatte nie einen von ihnen gefunden.
Er verdrängte den Gedanken für
den Augenblick und sandte einen Lockruf aus, um keine Kraft an die Jagd verschwenden
zu müssen. Er wartete unter einem Baum, bis der Wind die Geräusche von vier
Sterblichen an sein Ohr trug. Julian nahm ihre Witterung auf. Teenager. Junge
Männer. Sie hatten Alkohol getrunken. Julian seufzte. Die jungen Sterblichen
schienen nur zwei Freizeitvergnügen zu kennen - Alkohol und Drogen.
Während die jungen Männer
blindlings durch den Wald stolperten, belauschte Julian ihr Gespräch. Keiner
der Jungen hatte die Erlaubnis seiner Eltern für diesen kleinen
Campingausflug. Julian lächelte spöttisch. So, so, die jungen Herren glaubten
also, dass es ein großer Spaß sei, Menschen zu hintergehen, die sie liebten
und ihnen vertrauten. Die menschliche Rasse unterschied sich doch sehr von den
Karpatianern. Obwohl karpatianische Männer die Eigenschaften von Raubtieren in
sich trugen, würde sich jedoch keiner von ihnen je an einer Frau oder einem
Kind vergreifen oder diejenigen hintergehen, die ihm Liebe und Vertrauen
entgegenbrachten.
Er wartete. Der Blick seiner
golden funkelnden Augen durchdrang die Dunkelheit ohne Mühe. Und doch kehrten
Julians Gedanken immer wieder zu seiner Gefährtin zurück. Jeder karpatianische
Mann wusste, dass er nur eine verschwindend geringe Chance hatte, seine
Gefährtin zu finden. Das karpatianische Volk war von Vampiren und den
sterblichen Vampirjägern des Mittelalters stark dezimiert worden, von den
Türkenkriegen und Kreuzzügen ganz zu schweigen. Außerdem war es schon seit
vielen Jahren keiner karpatianischen Frau mehr vergönnt gewesen, eine
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