Dunkle Symphonie der Liebe
wie Frauen, über starke telepathische und heilende
Kräfte verfügt hatten. Nur ein Mensch mit übernatürlichen Gaben konnte sich
mit einem Angehörigen des uralten Stamms der Karpatianer verbinden. Antonietta
Scarletti besaß diese Gaben in sehr hohem Maß.
Don Giovanni versuchte sich
aufzusetzen, wobei er mühsam um Luft rang und sich mit seinen mageren Händen
an Byrons breiten Schultern festhielt. »Woher wussten Sie, dass Sie uns zu
Hilfe kommen mussten? Das Meer wollte mich verschlingen, aber Sie haben mich
zurückgeholt.« Er klapperte vor Kälte mit den Zähnen, und sein gebrechlicher
Körper zitterte unkontrolliert. »Jetzt haben Sie mich schon zum zweiten Mal
gerettet.«
Byron hielt ihn behutsam fest.
»Sprechen Sie nicht so viel, mein Freund. Mal sehen, was ich tun kann, damit
Sie nicht mehr so frieren.«
Antonietta konnte Byron nicht
sehen, aber wie immer war sie vom Klang seiner Stimme wie gebannt. Sein Tonfall
war schön und bezwingend, ähnlich der Musik, die sie im Geist ständig hörte.
Sie wollte in ihm den Freund ihres Großvaters sehen, aber das war gar nicht
einfach, wenn sie seine bezwingende Stimme hörte und sich verzweifelt nach
einer Berührung von ihm sehnte, sei sie auch noch so leicht.
Antonietta hatte schon vor
Jahren die Erfahrung gemacht, dass sie nicht die Sorte Frau war, die Männer aus
einem anderen Grund als dem ihres Vermögens anschauten. Sie besaß viel zu viel
vom Stolz der Scarlettis, um einzig und allein wegen ihres Geldes geliebt
werden zu wollen. Sie hielt nichts davon, sich die Zuneigung eines Mannes zu
erkaufen, obwohl sie wusste, dass viele Frauen in ihrer Lage das taten. Sie war
kein junges Mädchen, das von einem Ritter in schimmernder Rüstung träumte. Sie
war eine erwachsene Frau, mit ausgeprägten weiblichen Rundungen und einem
Gesicht, das durch eine Explosion, die ihr das Augenlicht genommen hatte,
entstellt war. Für sie gab es keinen Märchenprinzen, der sie auf seinem weißen
Hengst in das Reich der Romantik entführte. Sie war eine realistische Frau,
eine erfolgreiche Pianistin und Komponistin, die all ihre Träume in ihre Musik fließen
ließ.
Antonietta ließ ihre Hände
vorsichtig über ihren Großvater wandern, um ihn zu sehen und sich zu
vergewissern, dass er seine Rettung aus der See überleben würde. Ihre Hände
streiften die von Byron. Sie legte ihre Finger leicht auf seinen Handrücken. Er
verriet nie ein Anzeichen von Ärger, wenn sie ihn berührte, wirkte nie
angewidert oder ungeduldig, wenn er bei ihr war. Er machte einfach mit dem
weiter, was er gerade tat, während ihre Hände auf seinen ruhten. Sie konnte den
stetigen Rhythmus seiner Atemzüge hören, so langsam und gleichmäßig, dass ihr
eigener Atem, der sehr unruhig ging, sich allmählich seinem Tempo anpasste.
Byrons Hände erzeugten
ungeheure Hitze. Sie konnte spüren, wie diese Hitze, einem guten Wein ähnlich,
durch die Adern ihres Großvaters strömte und ihn allmählich erwärmte. Sie wagte
nicht zu sprechen, aber sie fühlte ihn. Hörte seinen Atem, seinen Herzschlag.
Sie wusste, dass Byron weit mehr als ein normaler Sterblicher war. Gerade jetzt
schien er wahre Wunder zu vollbringen. Sie sah ihn deutlich vor sich, obwohl
nur ihre Fingerspitzen leicht auf seinem Handrücken lagen.
Byron schloss die Augen und
sperrte alle Geräusche und Gerüche der Nacht aus. Es war schwierig, an etwas
anderes als die Berührung der Frau zu denken, der er sich immer so nahe fühlte,
aber er hatte bei seiner Untersuchung etwas in den Lungen des alten Mannes
entdeckt. Don Giovanni war zu alt und zu gebrechlich, um eine Infektion oder
Lungenentzündung zu überstehen. Byron löste sich von seinem Körper und ließ
seinen Geist in den Mann eintreten, der durchfroren und hilflos auf den Felsen
lag. Während er ihn auf die Weise seines Volks von innen heraus heilte, nahm
Byron gleichzeitig eine gründliche Untersuchung vor, fest entschlossen, Antoniettas
Großvater so viele Lebensjahre wie möglich zu verschaffen.
Der Wind fegte über die Klippen
und drang durch Antoniettas Kleidung, obwohl Byron sich zwischen sie und den
Wind gestellt hatte. Sie konnte die Wärme spüren, die von Byron auf ihren
Großvater überging. Aber da war noch etwas anderes, etwas noch viel
Ungewöhnlicheres. Sie begriff es, und sie glaubte daran. Byron Justicano hatte
seinen Körper verlassen und den ihres Großvaters betreten. Sie brauchte keine
Augen, um das Wunderwerkeines Naturheilers zu sehen. Sie konnte es
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