Dunkle Verlockung (German Edition)
Abendtraining zu konzentrieren: Zweikampf ohne Waffen. In der Gruppe waren nur vier Schüler. Bei den Älteren, die schon weiter in der Ausbildung fortgeschritten waren, zog Emmett es vor, mehr Zeit für jeden Einzelnen zu haben.
»Jazz«, tadelte er, als das einzige Mädchen der Gruppe einen Jungen anlächelte und ihm dann flirtend eine Kusshand zuwarf – der Arme kam völlig aus dem Takt.
Die Raubkatze in Emmett amüsierte sich über diese Finte, doch der Mann setzte ein ernstes Gesicht auf. Wenn er das nicht tat, würde sie weiterhin alles tun, was sie wollte. Bei Leopardenweibchen hatte man alle Hände voll zu tun, auch ohne die Hormonschübe, die in der Pubertät dazukamen – kein Wunder, dass ihm die Hälfte des Rudels Beileidskarten geschickt hatte, als Lucas ihm die Führung der Horde Jugendlicher anvertraut hatte. Die andere Hälfte hatte ihn zum Trinken eingeladen.
»Ja, Sir?« Jazz schaute ihn an, als könnte sie kein Wässerchen trüben.
»Falls du nicht vorhast, deine Gegner nur mit einem Lächeln und Hüftwackeln zu besiegen«, sagte er, »schlage ich vor, du arbeitest mehr an der Koordination deiner Bewegungen. Da hapert es nämlich.«
»Keineswegs.« Sie richtete sich kerzengerade auf. »Ich bewege mich geschickter als alle anderen.«
Er sah fest in die herausfordernd blickenden Augen. »Zehn Klimmzüge. Sofort!«
Das Mädchen mit der ebenholzfarbenen Haut schluckte bei der ungewöhnlich harten Ansprache und trollte sich zur Stange. Emmett wandte sich den drei verbliebenen Jungen zu. »Irgendwelche Kommentare, meine Herren?«
Ein schlanker Junge namens Aaron trat vor. »Sie hat recht – bei der Koordination ist sie die Beste.«
»Heute nicht, da ist sie zu beschäftigt mit ihren Spielchen.« Er schickte die drei zurück zu ihren Übungen und wartete auf Jazz’ Rückkehr.
»Nimm dir was zu trinken und setz dich«, sagte er, als sie mit rotem Kopf vor ihm stand, weil sie die Klimmzüge wie gefordert gestaltwandlerisch schnell durchgezogen hatte. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass die Jungen genügend beschäftigt waren, hockte er sich vor sie. »Weißt du, warum du das machen musstest?«
Schulterzucken. »Ich war vorlaut.«
»Genau.« Weil er sich aber auch mit dem Stolz junger Frauen auskannte, zog er an einem ihrer Zöpfe. »Du bist die Klassenbeste.«
Ein schmales Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht.
»Aber, Kätzchen«, sagte er und sah ihr in die Augen, »damit wirst du nicht weit kommen, wenn du dein Temperament nicht besser in den Griff bekommst. Du kannst weiterhin Jazz sein, meinetwegen auch ein Klugscheißer, wenn du das willst … « Die Bemerkung brachte ihm ein weiteres Lächeln ein. »Aber du musst lernen, dich der Hierarchie anzupassen.« Denn nur dadurch blieben Gestaltwandlerrudel stark, obwohl sie meist zahlenmäßig den beiden anderen Gattungen unterlegen waren. Und falls seine Mutter recht behielt, würde ihre innere Stärke in den nächsten Jahren noch viel wichtiger werden. Die Jugendlichen waren alle sehr unabhängige Raubtiergestaltwandler; er musste sie lehren, als Einheit zu funktionieren.
»Ich glaube, ich verstehe, was du meinst«, sagte Jazz nach einer Weile. »Wächter und Soldaten können das Alphatier nur schützen, wenn sie hundertprozentig sicher sind, dass sie sich aufeinander verlassen können.«
»Ganz genau.« Er stand auf und zog sie auf die Füße. »Los jetzt: das übliche Training, dann machen wir mit dem Zweikampf weiter.«
Sie zeigte beim Grinsen die Zähne. »Heute werd ich den Jungs tüchtig in den Arsch treten.«
Lachend beobachtete er, wie sie sich mit eleganten Bewegungen dem Rhythmus der anderen anpasste, und fragte sich, was Ria wohl von den Mitteln halten würde, mit denen das Rudel seine Zukunft sicherte. Würde sie es verstehen, oder würde die Gewalt sie abstoßen, die Aggressivität, die nun mal zu einem Raubtiergestaltwandler dazugehörte? Wobei er nicht vorhatte, solche Dinge mit ihr zu besprechen. Jedenfalls nicht, solange es sich vermeiden ließ. Sie war in einem sehr behüteten Umfeld aufgewachsen. Warum sollte sie sich um Dinge sorgen, die sie nichts angingen? Der Schutz des Rudels war allein seine Aufgabe. Was er mit Ria Wembley vorhatte, drehte sich ausschließlich um Lust … um köstliche, höchst dekadente Lust.
Erwartungsvolle Erregung brannte in seinem Körper.
Nach dem explosiven Geschehen im Trainingsraum blieb Ria zwei Tage lang zu Hause und grüßte Emmett nur kurz, wenn sie ihn zufällig
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