Dunkle Verlockung (German Edition)
verdient, in meiner Gegenwart nackt zu tanzen, falls das dein Wunsch sein sollte.«
Als der alte Mann lachte, hörte Noel, dass seine Stimme vom Alter gebrochen klang. »Das wäre ein Anblick, was, Mylady?« Er drückte ihre Hand und sah zu Noel auf. »Hast du dich endlich auf eine ernsthafte Beziehung eingelassen?«
Nimra beugte sich vor, um Fen auf beide Wangen zu küssen, wobei sie Noel versehentlich mit den Flügeln streifte. »Du bist meine einzige wahre Liebe, das weißt du doch.«
Fens Lachen ging in ein breites Lächeln über, und er legte seine Hand sanft an Nimras Wange, ehe er sie wieder auf den Schreibtisch sinken ließ. »Ich bin wahrlich ein glücklicher Mann.«
Noel konnte die gemeinsame Geschichte der beiden beinahe spüren, doch ungeachtet ihrer Worte hatten diese reichhaltigen Erinnerungen nichts von einem Liebespaar. Stattdessen lag beinahe eine Art Vater-Tochter-Beziehung darin, obwohl Nimra unsterblich jung blieb, während Fen vom Lauf der Zeit eingeholt worden war.
Nimra richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und sagte: »Das ist Noel.« Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder Fen zu: »Er ist mein Gast.«
»So nennt man das heutzutage also?« Mit funkelndem Blick unterzog er Noel einer näheren Betrachtung. »Er ist nicht so hübsch wie Christian.«
»Das werde ich wohl irgendwie überleben«, murmelte Noel.
Die Entgegnung entlockte Fen ein abgehacktes Altmännerlachen. »Der gefällt mir. Du solltest ihn behalten.«
»Wir werden sehen«, entgegnete Nimra, und ihre Worte hatten dabei einen bedrohlichen Klang. »Wie wir beide wissen, sind die Leute nicht immer das, was sie zu sein scheinen.«
In diesem Moment ging zwischen dem Engel und dem alten Menschen etwas Unsichtbares vor: Fen führte Nimras Hand an seine Lippen, um ihr einen Kuss auf den Handrücken zu drücken. »Manchmal sind sie mehr.« Für einen kurzen Moment hob Fen den Blick und sah Noel direkt in die Augen, und dieser hatte das Gefühl, dass die Worte mehr für ihn bestimmt waren als für den Engel, dessen Hand Fen noch immer hielt.
Dann klackerte Asirani auf ihren haushohen Absätzen in sein Blickfeld, und der Augenblick war vorüber. »Mylady«, sagte die Vampirin zu Nimra. »Augustus ist hier und besteht darauf, dich zu sprechen.«
Nimras Miene verfinsterte sich. »Allmählich strapaziert er meine Geduld.« Sie legte ihre Flügel eng an ihrem Rücken zusammen und nickte Fen zum Abschied zu, bevor sie ohne ein Wort zu Noel mit Asirani davonging.
Fen stieß Noel mit einem Stock an, der diesem vorher nicht aufgefallen war. »Vielleicht nicht ganz das, was du erwartet hast, was?«
Noel hob eine Braue. »Wenn du die Arroganz meinst, damit kenne ich mich aus. Ich habe mit Raphaels Sieben gearbeitet.« Die Vampire und Engel im Dienste des Erzengels waren selbst mächtige Unsterbliche. Dmitri, der Anführer der Sieben, war stärker als die meisten Engel; er hätte über ein eigenes Territorium herrschen können, wenn er gewollt hätte.
Fens Lippen krümmten sich zu einem gewitzten Lächeln, als er nachhakte: »Aber hast du es schon einmal bei einer Frau erlebt? Bei einer Geliebten?«
»Blindheit hat noch nie zu meinen Schwächen gezählt.« Die bittere Ironie dieser Worte brachte ihn innerlich zum Lachen. Nach dem Angriff hatte er einige Tage lang nicht einmal Augen gehabt, bis sich das Gewebe regeneriert hatte. »Und zu deinen ebenso wenig – auch wenn es für mich so aussieht, als würdest du gern diesen Anschein erwecken.« Er hatte gesehen, wie sich der Blick des alten Mannes trübte, als Asirani in seine Nähe gekommen war.
»Auch noch clever.« Fen deutete auf einen Stuhl, der seinem gegenüberstand. Noel setzte sich, stützte die Arme auf den glänzenden Kirschholztisch und betrachtete den riesigen Hauptraum. Christian war tief in ein Gespräch mit einer anderen Frau versunken, einer kurvenreichen Schönheit mit langem, glattem Haar, das ihr bis zur Taille reichte, und dem unschuldigsten Gesicht, das Noel je gesehen hatte. »Wer ist das?«, fragte er, da er sich denken konnte, welche Rolle Fen an Nimras Hof spielte.
Das Gesicht des alten Mannes wurde weicher und nahm einen Ausdruck äußerster Zärtlichkeit an. »Meine Tochter, Amariyah.« Er lächelte sie an, als sie sich umdrehte, um ihm zuzuwinken, dann seufzte er. »Sie wurde mit siebenundzwanzig geschaffen. Es tut meinem Herzen gut, zu wissen, dass sie noch lange weiterleben wird, wenn ich nicht mehr da bin.«
Der Vampirismus verwandelte Menschen
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