Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkler Winter

Dunkler Winter

Titel: Dunkler Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Luckett
Vom Netzwerk:
tot.
    Ich vergewisserte mich, zog den Handschuh aus und befühlte mein Kettenhemd in der Bauchgegend. Der Pan zer war unversehrt, auch das wattierte Unterziehhemd. Dann schimpfte ich mich einen Dummkopf. Wie, wenn das Gift auf Wappenrock und Kettenhemd verschmiert wäre und ich mir am aufgerissenen Drahtgeflecht des Panzers den Finger geritzt hätte?
    Jedenfalls brauchte ich Licht, um festzustellen, ob ich dem Tod verfallen war oder nicht. Natürlich hatten die Anwohner der Gasse die Geräusche des Zweikamp fes gehört, aber niemand war so töricht, Türen zu entrie geln oder Läden zu öffnen und hinauszuschauen. Noch nicht.
    Meine Tür war nur zehn Schritte entfernt. Während des Kampfes hatte ich mich in ihre Richtung zurückgezogen. Ich hatte mir nie ein gutes Schloss leisten können, also war sie offen. Das war eine Unannehmlichkeit, bedeutete es doch, dass ich keinen Gegenstand von irgendwelchem Wert in der Wohnung verwahren konnte, nicht einmal Bettzeug. Der Bäcker ließ mich meine Decken unter sei nem Ladentisch verstauen, und einer seiner Söhne schlief jede Nacht im Verkaufsladen, zusammen mit dem Stiel einer Hacke und einem großen und sehr dummen Hund, der Hund genannt wurde. Was ich sonst noch besaß, trug ich bei mir oder verwahrte es in der Wachstube der Her berge. Es war nicht viel.
    Hund war jedenfalls aufgewacht und verlangte lauthals hinausgelassen zu werden, um zu zerreißen, zu zerfetzen und zu fressen, was auf der Gasse lärmte. Ich klopfte höflich, und Hund verdoppelte seine Anstren gungen.
    »Kip? Geordi? Ich bin es, Will.«
    Hund kannte mich. Er beruhigte sich, was Geordi er laubte, die Tür zu entriegeln und einen Spalt breit zu öffnen. Er vergewisserte sich, dass ich es war, und hielt Hund unterdessen am Halsband.
    »Will? Was’s los? Was für’n Krach?« Geordi hatte einen gesunden Schlaf.
    »Bisschen Ärger. Gib mir ein Licht, ja?«
    Er ging die Ersatzlaterne holen, und ich untersuchte mich. Kein eigenes Blut; keine Stich- oder Schnittverlet zung, den Göttern sei gedankt. Wir gingen hinaus auf die Gasse. Der Sandasti ging nirgendwo mehr hin. Da lag er hingestreckt im Laternenschein, und wieder einmal staunte ich, wie viel Blut ein Mensch enthält. Es rann noch immer in den Rinnstein, begann erst zu trocknen.
    Natürlich besaß der Sandasti keine mystische Tätowierung oder dergleichen. Dumme Idee. Nein, sie rochen bloß nach dem Sandast, den sie genommen hatten. Es war ein trockenes, würziges Aroma wie Muskatnuss. In diesem Fall war der Geruch stark genug, um wahrgenommen zu werden, wenn man sich bloß über ihn beugte. Er musste dem Stoff wirklich verfallen gewesen sein.
    Für einen Sandastsüchtigen, wenn er nicht eben unge wöhnlich intelligent war, war die riskante Arbeit eines ge dungenen Meuchelmörders die einzige, die einträglich genug war, neben der kostspieligen Sucht den Lebens unterhalt zu bestreiten. Sie war gut bezahlt, aber die Überlebensrate blieb gering. Das kümmerte die Süchtigen wenig. Was ein Sandasti für einen Auftragsmord bekam, war zu viel für einen gewöhnlichen Straßenraub mit Totschlag. Warum also einen Sandasti-Meuchelmörder auf einen gewöhnlichen Angehörigen der Stadtwache anset zen? Wer immer dafür bezahlte, musste weitergehende Ziele verfolgen oder den Vorteil einer ermäßigten Grup penvergütung wahrnehmen. Gruppenvergütung…
    Schon eilte ich zurück zu Silvus’ Wohnung, so schnell mein verletztes Bein es zuließ. Das war nicht sehr schnell, also musste ich gewisse Risiken eingehen, dunkle Gassen und Nebenwege durchwandern, bis ich ein paar Schritte von der Kreuzung der Gasse, wo Silvus lebte, und der Stuckerstraße herauskam. Die Nebengassen Tenabras wa ren bei Nacht nicht ungefährlich, obwohl die größte Ge fahr von den Schmutzkübeln ausging, die aus den Fenstern der oberen Geschosse entleert wurden.
    Im Näherkommen sah ich, dass sie sich schon im Haus befanden. Die Tür war offen und einer stand draußen auf der Gasse. Etwas zu weit von der Kreuzung entfernt, um ihn überraschend anzuspringen, und ziemlich wachsam, wie es schien, da er von einem Fuß auf den anderen trat und ständig umherblickte. Ich beobachtete ihn zweifelnd. Ich konnte ihn nicht überrumpeln, nicht auf einem lahmenden und einem gesunden Bein, und ich sah keine Möglichkeit, mich anzuschleichen. Es war das Gegenteil des Problems, mit dem ich kurz zuvor gerungen hatte.
    Ich schwankte noch unentschlossen, als im Haus ein dumpfer Schlag hörbar wurde, der sich

Weitere Kostenlose Bücher