Dunkles Feuer
jagte ihn seit jenem bedeutsamen Tag vor nicht allzu langer Zeit, einer Zeit, als sein Leben noch Ordnung und Zufriedenheit gekannt hatte.
Nun war die Beute gestellt.
Ohne dass er sich dessen bewusst war, fuhr seine Zunge über die aufgesprungenen, trockenen Lippen.
Wo mochte sein Jäger jetzt sein?
Die Antwort kam unerwartet. Die kalte Mündung eines Revolvers presste sich in seinen Nacken. Seine Halsmuskeln verkrampften sich und weckten den lauernden Schmerz in der Schulter. Panische Angst ließ ihn keuchen.
Der Druck der Waffe nahm weder zu noch ab. Kein Wort wurde gesprochen.
Soll ich sterben, ohne noch einmal eine menschliche Stimme gehört zu haben?
Wie eine Puppe, deren Fäden von einem unsichtbaren Meister bewegt werden, wandte er den Kopf.
Eine Sekunde lang weigerte sich sein Verstand zu begreifen, aber dann wurde aus den verschwommenen Farben ein Gesicht.
„Du?“, war das Einzige, das er in diesem Augenblick sagen konnte.
Seine Augen waren geschlossen, als der Schuss fiel, dessen Echo alle verbliebenen Laute im Wald ersterben ließ.
1. Kapitel
Zwei Monate zuvor
Durch die Glastür des Eingangs fiel warmes Licht in den Gang und ließ den schwebenden Staub golden glänzen. Die Sonne war aufgegangen, als flache, blasse Scheibe erschien sie hinter den Wolkenkratzern und ließ die Skyline wie den Schattenriss eines Papierkünstlers wirken.
Steve Sanders lehnte mit dem Rücken an der kalten Wand, direkt neben der Tür, durch die er in wenigen Minuten gehen würde, um in einem Hörsaal der Universität von Dallas seinen Vortrag zu halten. Seine ganze Haltung drückte Anspannung aus. Die Schultern waren zurückgezogen und seinem Gesicht war die Erregung deutlich anzusehen. Der Wunsch, der bevorstehenden Aufgabe zu entfliehen, war übermächtig. Wenn er gekonnt hätte, aber dafür war keine Zeit mehr, wäre er hinüber in den Universitätspark gegangen und hätte seine nackten Füße in eines der zahlreichen Wasserbecken gehalten. Schon als Kind hatte es ihn beruhigt, seine Füße in Wasser zu tauchen. Es war, als würde ein Teil des eigenen Selbst in einer anderen Dimension, in einer anderen Welt, verschwinden. Dieses Gefühl verleitete zum Träumen und beruhigte die aufgewühlte Seele auf wundersame Weise. Kein Medikament besaß die gleiche entspannende Wirkung.
Steve grinste bei dem Gedanken und fragte sich, was wohl die Professoren und Wirtschaftsexperten der Universität sagen würden, wenn der Redner des wichtigsten Vortrages, der jemals an diesem Institut gehalten worden war, seine bloßen Füße im Wasser baumeln ließ, während Hunderten Studenten genau so etwas auf dem Gelände verboten worden war.
Sie würden mir den Etat wegnehmen und das wäre es dann, dachte Steve und konzentrierte sich wieder auf seine Umgebung.
An den Wänden hingen Drucke impressionistischer Maler und nahmen dem Gang etwas von seiner Sterilität. Monets Landschaften und Seerosenteiche wetteiferten um die Aufmerksamkeit des Betrachters, aber Steve ließ seinen Blick nur gedankenverloren darüber gleiten.
Steve fühlte sich nervös und unausgeschlafen. Vor einer Stunde war er mit dem ersten Flug aus Washington D.C. eingetroffen. Es hatte Turbulenzen gegeben, und mehrfach war die Maschine in Luftlöcher gesackt. An ein Frühstück war nicht zu denken gewesen, und sein Magen verkrampfte sich jetzt, als er heißen, schwarzen Kaffee aus einem Plastikbecher herunterschluckte.
Er war gut vorbereitet, aber trotzdem war da dieses Gefühl von Unzulänglichkeit. Er überdachte noch einmal die zurückliegende Arbeit, den unerwarteten Erfolg, den seine junge Firma erzielt hatte.
Nach den üblichen Anfangsschwierigkeiten hatte sich MedicSoft einigermaßen über Wasser halten können, ohne jedoch wirklich aus den Startlöchern zu kommen. Durch Prometheus, ein Softwareprogramm, das er selbst entwickelt hatte, würde sich alles ändern. Prometheus war in der Lage, genetische Manipulationen an Viren vorauszuberechnen und das theoretische Ergebnis noch vor den eigentlichen Testläufen zu nennen.
Das Programm war ursprünglich als Konzeptarbeit von der Universität von Dallas an seine Firma vergeben worden, aber er hatte eine Möglichkeit gefunden, es tatsächlich zu verwirklichen.
Mit dem Auftrag für die Universität war es wirtschaftlich stetig bergauf gegangen. Steve hoffte nun, dass ihnen heute der endgültige Durchbruch gelingen würde. Was sie in so kurzer Zeit geleistet hatten, war unglaublich. Aber würde es auch die
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