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Durcheinandertal

Durcheinandertal

Titel: Durcheinandertal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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    zuvor, und auch dem Dorf gegenüber fühlte sich Göbeli verpflichtet, aber die Summe, die ihm von einem Notar in der Kantonshauptstadt im Auftrag der Minervastraße geboten wurde, war derart phantastisch, daß er sogar die Bedingung akzeptierte, das Kurhaus, worin er doch wohnte, nach der Sommersaison Hals über Kopf zu verlassen. Göbeli sah sich nach günstigen Steuern um und zog nach Zug, und dem Rechtsanwalt, nachdem er das Kurhaus gekauft hatte, fiel es wieder wie Schuppen von den Augen: Der Reichsgraf von Kücksen hatte einen Coup gelandet, obgleich es dem Rechtsanwalt schleierhaft war, wieso er auf einmal wußte, daß der Reichsgraf einen Coup gelandet hatte und wie dieser zustande gekommen war. Am rätselhaftesten war es dem Rechtsanwalt aber, wieso er auf einmal wußte, daß es so einen Reichsgrafen überhaupt gab, war doch dieser Liechtensteiner, Bewohner eines Zwergstaates, 169 km2 groß, dessen Steuersatz derart niedrig ist, daß er die Vermögen finanzkräftiger Individuen wie ein Magnet anzieht. Der Reichsgraf, gegen siebzig, leitete sein Geschlecht von Pippin dem Mittleren ab, dem Urgroßvater Karls des Großen, und sagte von den liechtensteinischen Fürsten, na ja, die könne man gerade noch zum Adel zählen. Er war eine massige, stattliche Erscheinung von einer unzeitgemäßen Eleganz, der ein Monokel und ein strohblondes Toupet trug und auf eine rätselhafte Weise nie lächerlich wirkte. Sein Adoptivsohn Oskar war nicht minder sorgfältig, wenn auch zeitgemäß gekleidet. Er zählte zu jenen Unpersönlichkeiten, die ständig mit anderen Unpersönlichkeiten verwechselt werden, die Welt scheint von stets glattrasierten, schlanken, wohlparfümierten, krawattentragenden, dunkelgekleideten, gescheitelten Oskars zu wimmeln. In Vaduz war er im Antiquariat von Kücksens beschäftigt und verkaufte Möbel des verarmten österreichischen Hochadels und gefälschte Fehldrucke 17
    liechtensteinischer Briefmarken, fragte jemand nach weiteren Raritäten, wurde er von einem Chauffeur zum Schlößchen unter den Drei-Schwestern geführt (wer kennt schon die Geographie dieses Zwergstaates), wo der Reichsgraf inmitten seiner berühmten Schätze hauste, Bilder von Tizian, Rubens, Rembrandt, Breughel, Goya, El Greco waren zu bewundern, alle unecht, aber mit Zeugnissen weltbekannter Fachmänner versehen, sie könnten vielleicht echt sein. Erschauernd ob der Möglichkeit eines Bombengeschäfts, wandelten die Besucher durch die Galerie. Die Preise der Fälschungen waren hoch, aber eben, sie konnten echt sein, und so sehr waren die Besucher in Gedanken versunken, daß sie sich vom Hundegekläff nicht stören ließen, das vom Schloßpark heraufdrang, denn der Reichsgraf hielt einen berühmten Hundezwinger, seine Dobermänner waren ebenso bekannt wie seine Fälschungen. Was aber die Auseinandersetzung zwischen ihm und seinem Adoptivsohn betrifft, im Verlauf derselben der Reichsgraf diesem einen falschen Frans Hals über den Kopf stülpte, das Bildnis eines Mennonitenpfarrers mit wulstigen Lippen und einem kurzgeschnittenen krausen und schwarzen Bart, so mag der Anlaß durchaus ein Sarganser namens Edgar gewesen sein, der immer öfter im Antiquariat die Kunden statt Oskars anlächelte und mit diesem jedesmal verwechselt wurde.
    Ein nebensächlicher Grund angesichts der Wirkung: Durch die Restauration war ein Zeugnis zustande gekommen, der Frans Hals sei doch echt, worauf ihn die Gulbenkian-Stiftung für vier Millionen Dollar kaufte und Edgar adoptiert wurde.
    Das Hochgefühl des Reichsgrafen, einer der erfolgreichsten seiner Branche zu sein, währte nur bis Ende November. In einem Penthouse über dem Hudson wurde er von einem mickrigen Asiaten undefinierbarer Rasse empfangen, dem 18
    pechschwarze Haarsträhnen wie Kohlestriche an der Glatze klebten, der aussah, zugeknöpft in einen Bratenrock, mit schwarzen Fingernägeln, als sei er eben dem Kamin entstiegen, an dem er saß. Von Kücksen versuchte diesem schwerreichen Kirgisen, Samojeden, Tungusen, Jakuten oder was der Kaminfeger auch war, eine meisterhaft gefälschte Hexenszene als einen echten Goya anzudrehen, das erste Mal, daß er so unvorsichtig war, von einem Wink getäuscht, den er zu Hause von einem Advokaturbüro Raphael, Raphael und Raphael in Zürich, Minervastraße 33a erhalten hatte, einer ihrer Kunden sei am Bilde interessiert. Die Lektion war verheerend. Der Kaminfeger wußte nicht nur über den Reichsgrafen, sondern über ganz Liechtenstein Bescheid, derart,

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