Dustlands - Die Entführung
Leute glauben, dass Krähen den Tod bringen. Aber ich hatte mir in den Kopf gesetzt, ihn von Hand aufzuziehen, und wenn ich mir einmal was in den Kopf setz, dann bleib ich dabei.
Und dann ist da Emmi. Sie tut auch, was sie immer tut, nämlich Lugh und mir auf die Nerven gehen. Ich lauf zwischen Leiter und Schrotthaufen hin und her, und sie klebt an meinen Fersen.
Ich will helfen, sagt sie.
Dann halt die Leiter fest, sag ich.
Nein! Ich will richtig helfen! Du lässt mich immer nur die Leiter festhalten!
Tja, sag ich, vielleicht bist du ja zu nichts anderem zu gebrauchen. Hast du da schon mal dran gedacht?
Sie verschränkt die Arme vor der mageren kleinen Brust und guckt mich böse an. Du bist gemein, sagt sie.
Hast du schon mal gesagt, sag ich.
Ich dreh mich um und will mit einem rostigen Blech in der Hand die Leiter raufklettern. Aber ich hab erst drei Stufen geschafft, da fängt sie an, an der Leiter zu rütteln. Ich muss mich festhalten, damit ich nicht runterfall. Nero kreischt und flattert hastig davon. Ich guck böse runter auf Em.
Lass das!, sag ich. Willst du, dass ich mir den Hals brech?
Lughs Kopf taucht überm Dachrand auf.
Jetzt ist gut, Em, sagt er, hör auf damit. Geh Pa helfen.
Sofort lässt sie los. Emmi tut immer, was Lugh sagt.
Aber ich will helfen, sagt sie und zieht ihren Schmollmund.
Wir brauchen deine Hilfe nicht, sag ich. Wir kommen prima ohne dich klar.
Du bist die gemeinste Schwester, die es gibt! Ich hasse dich, Saba!
Prima! Ich hasse dich nämlich auch!
Hört auf!, sagt Lugh. Alle beide!
Emmi streckt mir die Zunge raus und stapft davon. Ich kletter die Leiter rauf aufs Dach, kriech zu Lugh und geb ihm das Blech.
Ich schwör dir, eines Tages bring ich sie um, sag ich.
Sie ist erst neun, Saba, sagt Lugh. Versuch doch zur Abwechslung mal, nett zu ihr zu sein.
Ich stöhn und hock mich neben ihn. Von hier oben auf dem Dach kann ich alles sehen. Emmi, die auf ihrem klapprigen Zweirad rumfährt, das Lugh auf der Müllkippe gefunden hat. Pa bei seinem Beschwörungskreis.
Es ist nur ein Fleckchen Erde, das er mit seinen Stiefeln glattgestampft hat. Wir dürfen nicht mal in die Nähe, außer er erlaubt es. Immerzu fuhrwerkt er da rum und fegt Zweige weg oder Sand, der draufgeweht ist. Bis jetzt hat er die Stöckchen für seinen Regenkreis noch nicht ausgelegt. Ich beobachte, wie er den Besen hinlegt. Dann macht er drei Schritte nach links und drei nach rechts. Dann noch mal. Und noch mal.
Hast du gesehen, was Pa vorhat?, frag ich Lugh.
Er guckt nicht mal hoch. Fängt an, das Blech mit dem Hammer auszubeulen.
Hab ich, sagt er. Hat er gestern schon gemacht. Und vorgestern.
Was soll das alles?, frag ich. Nach rechts gehen, dann nach links, immer wieder.
Woher soll ich das wissen?, fragt er. Er hat die Lippen fest zusammengepresst. Und er hat wieder diesen Gesichtsausdruck. Diesen leeren Gesichtsausdruck, wenn Pa was sagt oder ihn bittet, was zu tun. Den seh ich jetzt immer öfter bei ihm.
Lugh! Pa guckt hoch und schirmt die Augen ab. Ich könnt deine Hilfe gebrauchen, Sohn!
Alter Trottel, murrt Lugh und haut besonders feste mit dem Hammer aufs Blech.
Sag das nicht. Pa weiß doch immer, was er tut. Er ist ein Sterndeuter.
Lugh guckt mich an und schüttelt den Kopf. Als ob er nicht glauben könnte, was ich da gerade gesagt hab.
Hast du’s denn immer noch nicht kapiert? Das ist alles nur in seinem Kopf. Das bildet er sich ein. Da steht nichts in den Sternen. Es gibt keinen großen Plan. Das Leben geht einfach so weiter. Unser Leben geht einfach immer so weiter hier an diesem gottverlassenen Ort. Mehr ist nicht. Bis wir irgendwann sterben. Ich sag dir was, Saba, ich halt das nicht mehr aus.
Ich starr ihn an.
Lugh!, brüllt Pa.
Ich hab zu tun!, brüllt Lugh zurück.
Jetzt sofort, Sohn!
Lugh flucht leise. Schmeißt den Hammer hin, drängelt sich an mir vorbei und saust die Leiter runter. Er stürmt rüber zu Pa. Reißt ihm die Stöckchen aus der Hand und schmeißt sie auf den Boden. Da liegen sie jetzt überall verstreut.
Da!, schreit Lugh. Da hast du deine Hilfe! Jetzt kommt der gottverdammte Regen bestimmt! Er tritt nach Pas frisch gefegtem Beschwörungskreis, dass der Staub nur so fliegt. Dann bohrt er Pa den Finger in die Brust. Wach auf, alter Mann! Du lebst in einem Traum! Der Regen kommt nicht! Der Höllenflecken hier stirbt, und wir sterben auch, wenn wir hierbleiben. Aber weißt du was? Ich mach das nicht mehr mit! Ich hau ab!
Ich hab gewusst, dass es so kommt,
Weitere Kostenlose Bücher