Ein gefährliches Geschenk
1
E in dumpfes Donnergrollen folgte dem seltsamen kleinen Mann in den Laden. Er blickte sich entschuldigend um, als sei er und nicht die Natur für den Lärm verantwortlich, und klemmte sich sein Päckchen unter den Arm, damit er seinen schwarzweiß gestreiften Regenschirm schließen konnte.
Schirm und Mann tropften irgendwie traurig auf die Fußmatte hinter der Tür, während draußen ein kalter Frühlingsregen auf die Straße und den Bürgersteig herniederprasselte.
Zögernd verharrte er an Ort und Stelle, als sei er sich nicht sicher, wie er empfangen würde.
Laine schenkte ihm ein freundliches, einladendes Lächeln, das ihre Freunde immer als ihr höfliches Geschäftslächeln bezeichneten.
Nun ja, sie war eben eine höfliche Geschäftsfrau - was allerdings im Moment auf eine harte Probe gestellt wurde.
Wenn sie gewusst hätte, dass bei dem Regen die Kunden den Laden stürmen würden, statt einfach zu Hause zu bleiben, dann hätte sie Jenny heute nicht freigegeben. Aber eigentlich machte ihr die Arbeit nichts aus, schließlich eröffnete man keinen Laden, wenn man keine Kunden haben wollte, ganz gleich, wie das Wetter war. Und man hatte auch kein Geschäft in einem kleinen Nest in den USA, wenn man nicht bereit war, mit den Kunden zu schwatzen, zuzuhören und zu diskutieren, während man verkaufte.
Und das war ja auch in Ordnung so, dachte Laine. Wenn allerdings Jenny heute nicht gemütlich zu Hause säße, sich die Fußnägel lackieren und Soaps im Fernsehen anschauen würde, dann hätte sie jetzt die Zwillinge am Hals.
Darla Price Davis und Carla Price Gohen hatten ihre Haare beide im selben Aschblond gefärbt. Sie trugen identische glänzende blaue Regenmäntel und die gleichen Umhängetaschen. Jede beendete den Satz der anderen, und sie kommunizierten miteinander in einer Art von Geheimsprache, zu der hochgezogene Augenbrauen, geschürzte Lippen, Schulterzucken und Nicken gehörten.
Was bei Achtjährigen vielleicht süß gewesen wäre, wirkte bei achtundvierzigjährigen Frauen einfach nur blöd.
Aber, rief sich Laine ins Gedächtnis, sie kamen nie ins Remember When, ohne etwas zu kaufen. Es mochte manchmal Stunden dauern, aber letztendlich klingelte die Registrierkasse. Und es gab nur wenig, was Laines Herz so erwärmte wie dieses Geräusch.
Heute waren sie auf der Jagd nach einem Verlobungsgeschenk für ihre Nichte, und weder die Regenfluten noch der grollende Donner hatten sie aufhalten können. Auch das durchnässte junge Paar hatte sich davon nicht abschrecken lassen. Sie hatten, wie sie sagten, aus einer Laune heraus auf ihrem Weg nach D.C. einen Abstecher nach Angel’s Gap gemacht.
Und dann stand da noch der nasse kleine Mann mit dem gestreiften Schirm, der in Laines Augen ein wenig verloren und ängstlich wirkte.
Sie lächelte ihn noch ein bisschen freundlicher an. »Ich bin gleich bei Ihnen«, rief sie und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder den Zwillingen zu.
»Schauen Sie sich doch einfach noch ein wenig um«, schlug sie ihnen vor. »Überlegen Sie noch einmal. Sobald ich …«
Darla umklammerte ihr Handgelenk, und Laine war klar, dass sie ihnen nicht entkommen würde.
»Wir müssen es jetzt entscheiden. Carrie ist ungefähr in Ihrem Alter, Schätzchen. Was würden Sie sich denn zur Verlobung wünschen?«
Laine brauchte den Code gar nicht erst zu entschlüsseln, um zu begreifen, dass es ein Wink mit dem Zaunpfahl war. Schließlich war sie schon achtundzwanzig und immer noch nicht verheiratet. Noch nicht einmal verlobt. Noch dazu hatte sie momentan auch keinen Freund. Was in den Augen der Price-Zwillinge ein Verbrechen wider die Natur war.
»Wissen Sie«, zwitscherte Carla, »Carrie hat ihren Paul letzten Herbst beim Spaghettiessen im Kawanian’s kennen gelernt. Sie sollten wirklich mehr ausgehen, Laine.«
»Ja, da haben Sie Recht«, gab sie mit gewinnendem Lächeln zu. Wenn ich mir einen kahlköpfigen, geschiedenen Buchhalter mit chronischer Nasennebenhöhlenentzündung angeln will. »Ich bin mir sicher, dass Carrie alles gefallen wird, was immer Sie aussuchen.
Allerdings sollte ein Verlobungsgeschenk von ihren Tanten vielleicht etwas persönlicher sein als die Kerzenständer. Sie sind sehr hübsch, aber das Frisierset ist so feminin.« Sie ergriff die Haarbürste mit dem Silberrücken. »Bei dieser Bürste stelle ich mir vor, dass eine andere Braut sich damit vor ihrer Hochzeitsnacht die Haare gebürstet hat.«
»Persönlicher«, begann Darla. »Mädchen …«
»… hafter. Ja!
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