1558 - Im Griff der Hölle
Sie waren schrill, stöhnend und klangen lebensbedrohlich. Die Krankenschwester hatte damit nicht gerechnet und erschrak zutiefst. Für einen Moment blieb sie starr auf der Stelle stehen. Ihre gesunde Gesichtsfarbe verwandelte sich in eine fahle Blässe.
Sie fürchtete sich davor, sich umzudrehen, tat es dann doch und warf einen Blick auf das Bett.
Der Pater lag noch immer dort. Steif und etwas in die Höhe gestemmt. Seine Ellbogen dienten ihm dabei als Stützen.
Das Gesicht des angeblich Toten zeigte einen angespannten Ausdruck. Die Haut schien sich noch straffer um die Knochen zu spannen. Seine Augen waren weit geöffnet und mit starrem Blick gegen die Decke gerichtet.
Er schrie nicht mehr, war aber auch nicht ruhig. Die Schwester hörte sein Wimmern und dazwischen die gestammelten Worte. Für sie waren sie kaum verständlich. Sie klangen böse und hörten sich an, als würde der Pater fluchen.
Einem Impuls folgend zog die Krankenschwester die Tür wieder von innen zu. Sie konnte selbst nicht sagen, warum sie es getan hatte.
Sie ging jetzt einen Schritt auf das Bett zu.
Die Atmosphäre hatte sich im Krankenzimmer verändert. Was genau geschehen war, wusste die Frau nicht zu sagen.
Der Mund des Toten bewegte sich zuckend. Das Kinn stach noch spitzer hervor als normal. Was da aus der Kehle des Paters drang, hörte sich schlimm an. Diese bösen Worte, diese Flüche hätte sie dem Mann niemals zugetraut.
Er sprach von der Hölle, von der absoluten Kälte und der Dunkelheit. Von einer Welt ohne Freude und natürlich auch vom Teufel.
Hin und wieder folgte den Flüchen ein scharfes und kratziges Lachen.
Dann brach das Fluchen von einem Augenblick zum anderen ab.
Nur noch ein scharfes Atmen war zu hören. Der Tote schien sich zu beruhigen.
Vorbei war dieser Anfall, der nur kurz gedauert hatte, der Schwester jedoch sehr lang vorgekommen war.
Plötzlich war es wieder still.
Die Krankenschwester wollte es nicht in den Kopf, was sie hier erlebte. Aber sie Wusste, was jetzt ihre Pflicht war. Auf das Bett zugehen und sich den toten Pater, der vielleicht gar nicht tot war, aus der Nähe anschauen.
Sie hatte den Fuß noch nicht um einen Zentimeter nach vorn gesetzt, da überraschte sie der nächste Schrei.
Und diesmal zuckte sie noch heftiger zusammen. Der Schrei hatte sich anders angehört, nicht mehr so ängstlich.
Sie hätte sich nicht gewundert, wenn die Augen des Mannes aus den Höhlen getreten wären.
Der Schrei erstickte zwar nicht im Ansatz, war aber schnell vorbei. Nicht mal ein letztes Röcheln hatte sie vernommen. Knall auf Fall war es ruhig, und die Schwester wusste, was das zu bedeuten hatte.
Sie wollte allerdings auf Nummer sicher gehen und näherte sich lautlos dem Bett.
Der Patient lag ganz still da. Aber er war keinesfalls entspannt und sah nicht aus, als ob er das Schlimme, das ihn geängstigt hatte, hinter sich hätte.
Tote können sehr entspannt sein, wenn sie ein langes Leiden hinter sich haben. Das hatte die Schwester oft genug in ihrem Leben gesehen, aber hier war das nicht der Fall. Das sah sie schon aus der Entfernung.
Um den Mund des Paters herum zeigte sich eine Veränderung, die sie noch nicht so genau erkennen konnte. Dazu musste sie dichter an den Mann herantreten.
Beide Arme lagen ausgestreckt dicht neben dem Körper. Sie sah nur einen, den rechten, aber ihr fiel auf, dass die bleiche Hand zur Faust geballt war. So hart, als wollte sie etwas zerquetschen.
Das war nicht normal.
Normal waren nur die starren Augen, die nun mal zu einem Toten gehörten, nicht aber das, was sie auf den Lippen des Paters sah und das sich wie Schaum dort ausgebreitet hatte.
Kein heller Schaum.
Dieser hier war dunkelgrau.
Die Krankenschwester hatte in ihrem Berufsleben schon viel erlebt, das hier allerdings war ihr neu, und sie hatte das Gefühl, im Boden versinken zu müssen.
Mit zitternden Lippen flüsterte sie: »Mein Gott, was ist hier geschehen?«
Danach schlug sie ein Kreuzzeichen, drehte sich von dem Toten weg und rannte wie von Dämonen gejagt aus dem Krankenzimmer…
***
»Na, wie war's in Griechenland?«, fragte mich Sir James und putzte dabei die Gläser seiner Brille.
»Nicht wie im Urlaub, Sir.«
Er setzte die Brille wieder auf. »Das dachte ich mir, John. Man verschwindet auch nicht so einfach. Zumindest nicht ohne Urlaubsschein oder eine Nachricht.«
»Tja, das habe ich nicht zu verantworten. Da müssen Sie sich bei einem gewissen Myxin beschweren, aber den werden Sie kaum
Weitere Kostenlose Bücher