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Ecce Homo

Ecce Homo

Titel: Ecce Homo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Wilhelm Nietzsche , Stephen van Doren
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Selbstsucht, Selbstzucht dagegen aufgestellt, unzeitgemässe Typen par excellence, voll souverainer Verachtung gegen Alles, was um sie herum "Reich", "Bildung", "Christenthum", "Bismarck", "Erfolg" hiess, Schopenhauer und Wagner oder, mit Einem Wort, Nietzsche ...
    2.
    Von diesen vier Attentaten hatte das erste einen ausserordentlichen Erfolg. Der Lärm, den es hervorrief, war in jedem Sinne prachtvoll. Ich hatte einer siegreichen Nation an ihre wunde Stelle gerührt, dass ihr Sieg nicht ein Cultur-Ereigniss sei, sondern vielleicht, vielleicht etwas ganz Anderes ... Die Antwort kam von allen Seiten und durchaus nicht bloss von den alten Freunden David Straussens, den ich als Typus eines deutschen Bildungsphilisters und satisfait, kurz als Verfasser seines Bierbank-Evangeliums vom "alten und neuen Glauben" lächerlich gemacht hatte (- das Wort Bildungsphilister ist von meiner Schrift her in der Sprache übrig geblieben). Diese alten Freunde, denen ich als Würtembergern und Schwaben einen tiefen Stich versetzt hatte, als ich ihr Wunderthier, ihren Strauss komisch fand, antworteten so bieder und grob, als ich's irgendwie wünschen konnte; die preussischen Entgegnungen waren klüger, sie hatten mehr "Berliner Blau" in sich. Das Unanständigste leistete ein Leipziger Blatt, die berüchtigten "Grenzboten"; ich hatte mühe, die entrüsteten Basler von Schritten abzuhalten. Unbedingt für mich entschieden sich nur einige alte Herrn, aus gemischten und zum Theil unausfindlichen Gründen. Darunter Ewald in Göttingen, der zu verstehn gab, mein Attentat sei für Strauss tödtlich abgelaufen. Insgleichen der alte Hegelianer Bruno Bauer, an dem ich von da an einen meiner aufmerksamsten Leser gehabt habe. Er liebte es, in seinen letzten Jahren, auf mich zu verweisen, zum Beispiel Herrn von Treitschke, dem preussischen Historiographen, einen Wink zu geben, bei wem er sich Auskunft über den ihm verloren gegangnen Begriff "Cultur" holen könne. Das Nachdenklichste, auch das Längste über die Schrift und ihren Autor wurde von einem alten Schüler des Philosophen von Baader gesagt, einem Professor Hoffmann in Würzburg. Er sah aus der Schrift eine grosse Bestimmung für mich voraus, eine Art Krisis und höchste Entscheidung im Problem des Atheismus herbeizuführen, als dessen instinktivsten und rücksichtslosesten Typus er mich errieth. Der Atheismus war das, was mich zu Schopenhauer führte. Bei weitem am besten gehört, am bittersten empfunden wurde eine ausserordentlich starke und tapfere Fürsprache des sonst so milden Karl Hillebrand, dieses letzten humanen Deutschen, der die Feder zu führen wusste. Man las seinen Aufsatz in der "Augsburger Zeitung"; man kann ihn heute, in einer etwas vorsichtigeren Form, in seinen gesammelten Schriften lesen. Hier war die Schrift als Ereigniss, Wendepunkt, erste Selbstbesinnung, allerbestes Zeichen dargestellt, als eine wirkliche Wiederkehr des deutschen Ernstes und der deutschen Leidenschaft in geistigen Dingen. Hillebrand war voll hoher Auszeichnung für die Form der Schrift, für ihren reifen Geschmack, für ihren vollkommnen Takt in der Unterscheidung von Person und Sache: er zeichnete sie als die beste polemische Schrift aus, die deutsch geschrieben sei, in der gerade für Deutsche so gefährlichen, so widerrathbaren Kunst der Polemik. Unbedingt jasagend, mich sogar in dem verschärfend, was ich über die Sprach-Verlumpung in Deutschland zu sagen gewagt hatte (- heute spielen sie die Puristen und können keinen Satz mehr bauen -), in gleicher Verachtung gegen die "ersten Schriftsteller" dieser Nation, endete er damit, seine Bewunderung für meinen Muth auszudrücken jenen "höchsten Muth, der gerade die Lieblinge eines Volks auf die Anklagebank bringt".. . Die Nachwirkung dieser Schrift ist geradezu unschätzbar in meinem Leben. Niemand hat bisher mit mir Händel gesucht. Man schweigt, man behandelt mich in Deutschland mit einer düstern Vorsicht: ich habe seit Jahren von einer unbedingten Redefreiheit Gebrauch gemacht, zu der Niemand heute, am wenigsten im "Reich", die Hand frei genug hat. Mein Paradies ist "unter dem Schatten meines Schwertes" ... Im Grunde hatte ich eine Maxime Stendhals prakticirt: er räth an, seinen Eintritt in die Gesellschaft mit einem Duell zu machen. Und wie ich mir meinen Gegner gewählt hatte! den ersten deutschen Freigeist! ... In der That, eine ganz neue Art Freigeisterei kam damit zum ersten Ausdruck: bis heute ist mir Nichts fremder und unverwandter als

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