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Ecce Homo

Ecce Homo

Titel: Ecce Homo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Wilhelm Nietzsche , Stephen van Doren
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gewisse Geistigkeit vornehmen Geschmacks scheint sich beständig gegen eine leidenschaftlichere Strömung auf dem Grunde obenauf zu halten. In diesem Zusammenhang hat es Sinn, dass es eigentlich die hundertjährige Todesfeier Voltaire's ist, womit sich die Herausgabe des Buchs schon für das Jahr 1878 gleichsam entschuldigt. Denn Voltaire ist, im Gegensatz zu allem, was nach ihm schrieb, vor allem ein grandseigneur des Geistes: genau das, was ich auch bin. Der Name Voltaire auf einer Schrift von mir das war wirklich ein Fortschritt zu mir ... Sieht man genauer zu, so entdeckt man einen unbarmherzigen Geist, der alle Schlupfwinkel kennt, wo das Ideal heimisch ist, wo es seine Burgverliesse und gleichsam seine letzte Sicherheit hat. Eine Fackel in den Händen, die durchaus kein "fackelndes" Licht giebt, mit einer schneidenden Helle wird in diese Unterwelt des Ideals hineingeleuchtet. Es ist der Krieg, aber der Krieg ohne Pulver und Dampf, ohne kriegerische Attitüden, ohne Pathos und verrenkte Gliedmaassen dies Alles selbst wäre noch "Idealismus". Ein Irrthum nach dem andern wird gelassen aufs Eis gelegt, das Ideal wird nicht widerlegt es erfriert... Hier zum Beispiel erfriert "das Genie"; eine Ecke weiter erfriert "der Heilige"; unter einem dicken Eiszapfen erfriert "der Held"; am Schluss erfriert "der Glaube", die sogenannte "Überzeugung", auch das "Mitleiden" kühlt sich bedeutend ab fast überall erfriert "das Ding an sich" ...
    2.
    Die Anfänge dieses Buchs gehören mitten in die Wochen der ersten Bayreuther Festspiele hinein; eine tiefe Fremdheit gegen Alles, was mich dort umgab, ist eine seiner Voraussetzungen. Wer einen Begriff davon hat, was für Visionen mir schon damals über den Weg gelaufen waren, kann errathen, wie mir zu Muthe war, als ich eines Tags in Bayreuth aufwachte. Ganz als ob ich träumte ... Wo war ich doch? Ich erkannte Nichts wieder, ich erkannte kaum Wagner wieder. Umsonst blätterte ich in meinen Erinnerungen. Tribschen eine ferne Insel der Glückseligen: kein Schatten von Ähnlichkeit. Die unvergleichlichen Tage der Grundsteinlegung, die kleine zugehörige Gesellschaft, die sie feierte und der man nicht erst Finger für zarte Dinge zu wünschen hatte: kein Schatten von Ähnlichkeit. Was war geschehn? Man hatte Wagner ins Deutsche übersetzt! Der Wagnerianer war Herr über Wagner geworden! – Die deutsche Kunst! der deutsche Meister! das deutsche Bier! ... Wir Andern, die wir nur zu gut wissen, zu was für raffinirten Artisten, zu welchem Cosmopolitismus des Geschmacks Wagners Kunst allein redet, waren ausser uns, Wagnern mit deutschen "Tugenden" behängt wiederzufinden. Ich denke, ich kenne den Wagnerianer, ich habe drei Generationen "erlebt", vom seligen Brendel an, der Wagner mit Hegel verwechselte, bis zu den "Idealisten" der Bayreuther Blätter, die Wagner mit sich selbst verwechseln, ich habe alle Art Bekenntnisse "schöner Seelen" über Wagner gehört. Ein Königreich für Ein gescheidtes Wort! In Wahrheit, eine haarsträubende Gesellschaft! Nohl, Pohl, Kohl mit Grazie in infinitum! Keine Missgeburt fehlt darunter, nicht einmal der Antisemit. Der arme Wagner! Wohin war er gerathen! Wäre er doch wenigstens unter die Säue gefahren! Aber unter Deutsche! ... Zuletzt sollte man, zur Belehrung der Nachwelt, einen echten Bayreuther ausstopfen, besser noch in Spiritus setzen, denn an Spiritus fehlt es -, mit der Unterschrift: so sah der "Geist" aus, auf den hin man das "Reich" gründete ... Genug, ich reiste mitten drin für ein paar Wochen ab, sehr plötzlich, trotzdem dass eine charmante Pariserin mich zu trösten suchte; ich entschuldigte mich bei Wagner bloss mit einem fatalistischen Telegramm. In einem tief in Wäldern verborgnen Ort des Böhmerwalds, Klingenbrunn, trug ich meine Melancholie und Deutschen-Verachtung wie eine Krankheit mit mir herum und schrieb von Zeit zu Zeit, unter dem Gesammttitel "die Pflugschar", einen Satz in mein Taschenbuch, lauter harte Psychologica, die sich vielleicht in "Menschliches, Allzumenschliches" noch wiederfinden lassen.
    3.
    Was sich damals bei mir entschied, war nicht etwa ein Bruch mit Wagner ich empfand eine Gesammt-Abirrung meines Instinkts, von der der einzelne Fehlgriff, heisse er nun Wagner oder Basler Professur, bloss ein Zeichen war. Eine Ungeduld mit mir überfiel mich; ich sah ein, dass es die höchste Zeit war, mich auf mich zurückzubesinnen. Mit Einem Male war mir auf eine schreckliche Weise klar, wie viel Zeit bereits

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