Echo des Zorns (German Edition)
wir mal, was dieser Idiot zu sagen hat, wenn er sieht, was von dir übrig ist.«
1
FBI -Agentin Sam Kennedy war durch die Hölle gegangen. Sie hatte dem Teufel in die Augen gesehen und sein Lachen gehört. Sie war gestorben, aber das Schicksal hatte gewollt, dass sie ins Leben zurückkehrte.
Jeremy Briar hatte das Schicksal diese Chance nicht gegeben.
Sam holte tief Luft. Es roch durchdringend nach Blut und Verwesung. Sie starrte auf den Leichnam, der mit gespreizten Armen und Beinen auf dem Boden lag, direkt vor dem großen, schmiedeeisernen, schwarzen Tor.
Jeremys Augen standen offen. Irgendein Wahnsinniger hatte ihm die Lider weggeschnitten. Beide Arme waren von der Schulter bis zum Handgelenk aufgeschlitzt, und seine Kehle und sein Magen sahen wie zwei lächelnde, rote Münder aus.
Sam wandte den Blick ab. Nicht denken. Nicht fühlen.
Abrupt wandte sie sich von der Leiche ab und wäre dabei beinahe mit ihrem Boss, Keith Hyde, zusammengestoßen.
Sein Blick war nicht auf den Leichnam gerichtet, sondern auf sie. »Fühlen Sie sich der Sache gewachsen?«, fragte er und fixierte ihr Gesicht. Seine tiefe, volltönende Stimme verursachte ihr eine Gänsehaut.
Er fürchtete, sie könne versagen. Damit rechneten alle. Niemand traute ihr diese Arbeit noch zu.
Vielleicht würde sie es ja wirklich nicht schaffen.
Samantha schluckte. Sie gehörte der Serial Services Division an, kurz SSD , einer Eliteeinheit des FBI . Dafür hätten die meisten FBI -Agenten mit Freude ihre Seele verkauft. Ihr Team arbeitete ausschließlich daran, Serientäter aufzuspüren und festzunehmen. Die SSD verfügte über fast unbegrenzte Ressourcen, und Hyde musste sich niemandem gegenüber verantworten.
Sein Team. Sein Reich.
»Ich fühle mich allem gewachsen.« Das klang eher abwehrend, dabei hatte es doch bestimmt klingen sollen. Meine Güte. Hyde sah sie an, als müsse sie jeden Moment zusammenklappen. Hatte sie ihm denn in den letzten sechs Monaten nicht bewiesen, dass sie ihre Arbeit schaffte? Was erwartete er denn von ihr?
Im hellen Sonnenlicht wirkte Hydes milchkaffeefarbene Haut dunkler als sonst. So, wie er die Lippen zusammenpresste, war ihr klar, dass er ihr nicht glaubte.
Aber das war nichts Neues.
»Das habe ich schriftlich.« Jetzt, wo sie ärgerlich war, klang ihre Stimme gleich deutlich fester. Hinter ihr wartete ein Leichnam, und Hyde verschwendete kostbare Zeit damit, ihr blöde Fragen zu stellen.
»Ich weiß, die Psychologen behaupten, Sie könnten wieder arbeiten.« Er verschränkte die Arme. Nicht weit von ihnen entfernt übergab sich ein uniformierter Polizist gerade in die Büsche. Klasse. So viel zum Thema Tatortsicherung. Hyde sah sie abschätzend an. »Nur: An Fällen arbeiten und sie überleben sind zwei sehr unterschiedliche Dinge.«
Er rechnete damit, dass sie zusammenklappte.
»Machen Sie sich keine Sorgen.« Samantha wies mit dem Daumen über ihre Schulter. »Sorgen Sie sich lieber um die Familie des armen Kerls.« Der Verwesungsgeruch war beinahe unerträglich. Am liebsten wäre sie davongelaufen.
Aber sie wusste, man konnte dem Tod nicht davonlaufen. Der Tod folgte einem überallhin, und sie verfolgte er sogar bis in ihre Träume.
»Er passt ins Muster«, fuhr Sam fort. Die Tatortspezialisten waren endlich da. Sam und Hyde traten zur Seite, um ihnen Platz zu machen. »Beeilt euch«, dachteSam. Sie wusste, die Eltern des armen Kerls befanden sich im Haus. Sie hatte gesehen, wie sich die Gardine bewegt hatte, und wusste, dass sie auf die Überreste ihres Sohnes starrten und sich die Schuld an seinem Tod gaben.
»Jeremy Briar«, brummte sie. »Zweiundzwanzig, einziger Sohn von Kathleen und Morgan Briars. Man hat Jeremy zuletzt vor drei Tagen gesehen, in einer Gaststätte namens The Core ganz in der Nähe des Colleges.« Dann war er einfach verschwunden.
»Den Anruf mit der Lösegeldforderung erhielt sein Vater vierundzwanzig Stunden nach Jeremys Verschwinden«, ergänzte Hyde.
Sam wandte sich nicht noch einmal zu der Leiche um. Mit Leichen hatte sie ungern zu tun. Sie blieb lieber im Büro und jagte ihre Beute im Internet. Aber das konnte keine Dauerlösung sein. Sie musste beweisen, dass sie mit dieser Arbeit zurechtkam. Der Psychologe, den man ihr zugewiesen hatte, hatte verstanden, dass sie sich nicht länger hinter einem Schreibtisch verstecken wollte. Dank seiner Unterstützung war sie jetzt hier, doch wenn sie daran dachte, dass Jeremy in etwa ihr Alter hatte, hätte sie sich am liebsten in
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