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Echt zauberhaft

Echt zauberhaft

Titel: Echt zauberhaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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stur.
    Herr Zervelatwurst seufzte. »Dschingis, ich gewinne immer stärker den Eindruck, daß einige tausend Jahre monetärer Entwicklung wirkungslos an dir vorübergegangen sind.«
    »Wie bitte?«
    »Es ist durchaus möglich, daß Geld anderen Leuten gehört«, sagte Herr Zervelatwurst geduldig.
    Die Hordenmitglieder dachten darüber nach. Natürlich wußten sie, daß dies rein theoretisch der Fall sein konnte. Händler hatten immer Geld, doch es gehörte ihnen nicht in dem Sinne – es gehörte den Leuten, die es ihnen abnahmen. Händler durften ihr Geld nicht als Eigentum bezeichnen; sie verwahrten es nur, bis es woanders gebraucht wurde.
    »Nun, da drüben seht ihr eine ältere Dame, die Enten verkauft«, sagte Herr Zervelatwurst. »Bei der nächsten Lektion – Junger Willie, ich bin hier, nicht dort drüben; zweifellos beobachtest du interessante Dinge, aber ich wäre dir sehr dankbar, wenn du mir deine Aufmerksamkeit schenken würdest – geht es um soziale Kontakte.«
    »Har, har, har«, ließ sich Caleb der Brecher vernehmen.
    »Ich schlage vor, Herr Brecher geht jetzt zu der Dame hinüber und erkundigt sich nach dem Preis für eine Ente«, sagte Herr Zervelatwurst.
    »Har, har, har… Was?«
    »Und verzichte bitte darauf, ihr die Kleidung vom Leib zu reißen. Das ist nicht zivilisiert.«
    Caleb kratzte sich am Kopf. Etwas davon bröckelte ab.
    »Äh… was soll ich denn machen?«
    »Verwickle sie in ein Gespräch.«
    »Äh… worüber redet man denn mit Frauen?«
    Herr Zervelatwurst zögerte. In gewisser Weise war das auch für ihn unbekanntes Terrain. Seine Erfahrungen mit Frauen beschränkten sich auf gelegentliches Plaudern mit der Haushälterin – einmal hatte sie ihm erlaubt, ihr die Hand aufs Knie zu legen. Erst mit vierzig fand er heraus, daß oraler Sex nicht bedeutete, darüber zu sprechen. Für ihn waren Frauen immer seltsame, weit entfernte und wundervolle Geschöpfe gewesen, während die Hordenmitglieder in ihnen vor allem Dinge zum Herumspielen sahen.
    Er suchte nach den richtigen Worten.
    »Übers Wetter?« erwiderte er schließlich und erinnerte sich vage an die Unterhaltungen mit der älteren, unverheirateten Tante, bei der er aufgewachsen war. »Über die Gesundheit? Über die Schwierigkeiten mit der Jugend von heute?«
    »Und dann reiße ich ihr die Kleidung vom Leib?«
    »Vielleicht. Zum… äh… Schluß. Wenn sie es möchte. In diesem Zusammenhang möchte ich euch an die Diskussion erinnern, die wir neulich hatten. Sie betraf regelmäßiges Baden…« Oder wenigstens ein Bad, fügte Herr Zervelatwurst in Gedanken hinzu. »… die Pflege von Fingernägeln und Haaren sowie häufigeres Wechseln der Kleidung.«
    »Dies ist Leder«, sagte Caleb. »Man braucht’s nicht zu wechseln, weil es jahrelang hält.«
    Einmal mehr sah sich Herr Zervelatwurst zu einem Perspektivenwechsel gezwungen. Er hatte geglaubt, man könnte der Horde die Zivilisation ebenso leicht bringen wie Tünche auf eine Mauer auftragen, doch jetzt mußte er seinen Irrtum eingestehen.
    Während er beobachtete, wie Caleb mühevoll versuchte, mit einer Repräsentantin der anderen Hälfte der Menschheit zu reden, gingen ihm sonderbare Gedanken durch den Kopf. Diese Leute unterschieden sich sehr von den Personen, mit denen er in Lehrerzimmern verkehrt hatte, aber trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – mochte er sie. Jeder von ihnen sah in Büchern nützliches Papier, das man auf dem Abort oder als Feueranzünder verwenden konnte. Hygiene hielten sie für eine besondere Grußform. Aber sie waren ehrlich (auf ihre eigene Art und Weise) und anständig (auf ihre eigene Art und Weise). Die Welt blieb für sie herrlich unkompliziert. Sie bestahlen reiche Händler, Könige und Tempelpriester. Den Armen nahmen sie nichts weg, wenn auch nur deshalb, weil man ihnen nichts wegnehmen konnte.
    Zwar unternahmen sie ihre Raubzüge nicht mit der Absicht, das gestohlene Geld den Armen zu geben, doch lief es letztendlich darauf hinaus – wenn man Wirte, Damen käuflicher Zuneigung, Taschendiebe, Spieler und Schnorrer zu den Armen zählte. Sie gaben sich große Mühe, wenn es darum ging, Reichtümer zu erbeuten, aber wenn sie anschließend versuchten, das Geld unter Kontrolle zu halten… stießen sie auf ähnlich große Probleme wie jemand, der versuchte, eine Herde Katzen zu hüten. Wie dem auch sei: Das Geld existierte, um ausgegeben und verloren zu werden. Die Horde sorgte dafür, daß es in Umlauf blieb, was in jeder Gesellschaft

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