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Ehrenhüter

Ehrenhüter

Titel: Ehrenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
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hinzuzufügen: «Und bevor du jetzt etwas Falsches sagst und hier rumtobst, Frank, solltest du wissen, dass nicht sie uns hinterhergefahren ist, sondern wir ihr.»
     
    Andrea Voss’ kurze Haare waren mit Schlamm verschmiert, Jacke und Hose verdreckt, aber sie sprühte vor Energie. Als Steenhoff die Krankenwagentür öffnete, nähte ein Arzt gerade eine kleine Platzwunde an ihrer Stirn.
    «Sitzen bleiben», herrschte sie der Arzt an, als sie bei Steenhoffs Anblick aufspringen wollte. «Sonst haben Sie den Rest ihres Lebens was von dieser Nacht.»
    Andrea blinzelte Steenhoff zu und mimte die Geduldige. Doch kaum hatte der Arzt den letzten Stich getan, kletterte sie aus dem Fahrzeug.
    «Die Begegnung mit deinen Kollegen hat mir offenbar mehr Blessuren eingebracht als dir der Sturz in die Grube», eröffnete sie das Gespräch und lächelte breit.
    Steenhoff betrachtete sie von oben bis unten: «Ehrlich gesagt, du sahst schon mal besser aus, Andrea.»
    «Wie das blühende Leben kommst du aber auch nicht rüber», konterte sie und schenkte ihm einen abschätzigen Blick. Sie tat, als müsste sie überlegen. «Wie heißt noch der Slogan, der auf jedem Einsatzfahrzeug klebt? Ach ja: Wir sind immer in ihrer Nähe.» Sie lachte vergnügt auf. «Vielleicht sollten wir Journalisten uns auch ein paar dieser Folien besorgen und unsere Wagen damit bekleben? Besser wär’s.»
    Ohne mit einem weiteren Wort auf ihre Spötteleien einzugehen, drückte er sie an sich. «Ich weiß zwar noch nicht, warum, aber irgendwie scheinst du diese nette Polizeiübung hier ausgelöst zu haben.» Er löste sich von ihr und hielt sie mit ausgestreckten Armen fest: «Danke, Andrea. Ohne dich wären wir morgen zu spät zur Pressekonferenz gekommen.»
    «Für eine gute Geschichte nehme ich auch schon mal nachts an einer Übung teil», nahm sie den Ball auf.
    Genau das hatte er befürchtet. «Diese Geschichte wirst du nicht schreiben», blaffte er schroffer als gewollt.
    Andrea Voss trat einen Schritt zurück und verschränkte die Arme. «Du wirst mich nicht daran hindern können.»
    Vergeblich suchte er nach dem richtigen Ton, den richtigen Worten. Natürlich war es aus der Sicht einer Journalistin eine phantastische Geschichte: Zwei Ermittler stürzen bei einem Ortstermin in eine Grube, hocken stundenlang im Dunkeln und werden erst, nachdem eine Reporterin die Polizei durch Nachfragen aufscheucht, mitten in der Nacht gefunden. Die ganze Stadt würde über die Story reden – und er und Petersen würden zum Gespött der Leute werden.
    «Ich werde es fair machen», sagte sie, strich sich mit ihren Fingern durch die verklebten Haare und drehte sich um. Sie war schon fast bei ihrem Auto angelangt, als Steenhoff sie einholte.
    «Warte.»
    Andrea öffnete die Tür und stieg ein. Doch Steenhoff hielt die Fahrertür fest und beugte sich zu ihr hinunter.
    «Ich biete dir einen Tausch an. Du vergisst das hier und dafür   …» Er senkte seine Stimme und sprach so leise, dass niemand der Umstehenden etwas verstehen konnte.

18
    Salihas Pobacke schmerzte. Sie veränderte ihre Sitzposition an der Bettkante, ohne die Hand ihrer Mutter loszulassen.
    Regungslos lag Besma Cetin unter der weißen Baumwolldecke und atmete flach. Die Krankenschwester, die schon zweimal den Kopf ins Zimmer gesteckt hatte, um nach ihr zu schauen, nahm an, die Frau mit den dunklen Ringen unter den Augen schliefe. Doch Saliha vermutete, dass ihre Mutter die ganze Zeit über wach war. Sie wollte nur nicht die Augen öffnen.
    Anne
war wieder in ihrer anderen Welt. Dort, wohin ihr niemand folgen konnte. Die Ärzte nannten es Depression, aber Saliha hatte den Zustand schon ein paar Mal bei ihrer Mutter erlebt. Drei, vier Wochen lang sprach Besma Cetin dann von Tag zu Tag weniger. Ihre Bewegungen wurden langsamer, als hingen schwere Gewichte an ihrem Körper. Da ihr Mann keine langen Gespräche von ihr erwartete und Besma weiterhin kochte, wusch und die Wohnung in Ordnung hielt, war es eigentlich immer nur Nilgünund Saliha aufgefallen, wenn mit ihrer Mutter etwas nicht stimmte.
    In solchen Phasen stand Besma Cetin morgens mit ihrem Mann zusammen auf, aber kaum war er aus dem Haus, legte sie sich entgegen ihren sonstigen Gewohnheiten wieder ins Bett. Die ersten Male hatten die Schwestern noch versucht, sie aufzuheitern. Mit kleinen Scherzen, lustigen Erzählungen aus der Schule. Aber ihre Gesichtszüge wirkten eingefroren. Sie zeigte keine Regung. Kein Lächeln, keine Ungeduld. Es war, als

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