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Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Titel: Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Arendt
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Erwägungen der Landesjustizverwaltungen gegeben, die Ermittlungen im Bereich von NS-Verbrechen zu koordinieren; die Erwägungen gingen im damals verbreiteten, eher auf Amnestie gerichteten »Schlußstrich-Klima« unter, das sich in den folgenden Jahren noch verstärkte (siehe dazu, aber auch zu den sachlichen Schwierigkeiten der Strafverfolgung nach 1950: Rückerl, S. 123 ff.).
    Ein wichtiger Impuls für die Intensivierung der Strafverfolgung und die Gründung der »Zentralen Stelle« ging vom »Ulmer Einsatzkommando-Prozeß« aus. Der Prozeß kam »zufällig« in Gang. Der frühere (1941) Polizeidirektor von Memel hatte gerichtlich auf Wiedereinstellung in den Staatsdienst geklagt. Da über den Prozeß in der Presse berichtet wurde, erkannte ein Leser den Polizeidirektor als Beteiligten an Massenerschießungen von Juden. Dieser wurde im Mai 1956 verhaftet; bis April 1957 wurden neun Mittäter ermittelt und ebenfalls verhaftet. Im Juni 1957 erhob die Staatsanwaltschaft Ulm Anklage. Das Schwurgericht beim Landgericht Ulm befand die zehn Angeklagten im August 1958 schuldig, als »Hilfstruppen« der Einsatzgruppe A zwischen Juni und September 1941 in Litauen »Massentötungen« von Menschen vorgenommen und damit Verbrechen der gemeinschaftlichen Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord begangen zu haben, und verurteilte sie zu Zuchthausstrafen zwischen 3 und 15 Jahren (veröffentlicht in: Justiz und NS-Verbrechen, s. u., Bd. XV, Nr. 465 und Bd. XVI, Nr. 499). Der Prozeß erlangte in den Medien ungewöhnliche Beachtung und stimulierte die Diskussionen über die NS-Verbrechen und ihre Verfolgung.
    Die Bedeutung der »Zentralen Stelle« für die Strafverfolgung ist darin zu sehen, daß die Ermittlungsmethoden faktisch umgekehrt wurden. Bis dahin bedurfte es eines Tatverdächtigen, gegen den bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Strafanzeige erstattet wurde. Die »Zentrale Stelle« ging Hinweisen auf Straftaten nach, untersuchte den Sachverhalt, ermittelte erst dann die (z. T. noch unbekannten) Tatverdächtigen und gab das Verfahren an die zuständige Staatsanwaltschaft eines der Verdächtigen ab. Nach 1958 leitete sie 64 und 1959 weitere 400 Vorermittlungsverfahren ein. So sehr die von H. A. aufgenommene und formulierte Kritik am schleppenden Fortgang der Verfahren gegen NS-Verbrecher und an der in den frühen und mittleren fünfziger Jahren verbreiteten Abneigung, solche Prozesse zu führen, zutrifft, so wenig ist ihre Auffassung richtig, erst die Entführung und Inhaftnahme Eichmanns im Mai 1960 habe die deutsche Justiz in Bewegung gebracht.
    Generell zum Problem der NS-Prozesse siehe:
    Bernd Hey, Die NS-Prozesse. Versuch einer juristischen Vergangenheitsbewältigung, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 32, 1981, S. 331 ff.
    Vergangenheitsbewältigung durch Strafverfahren. NS-Prozesse in der Bundesrepublik Deutschland. Hrsg. v. Jürgen Weber, Peter Steinbach. München 1984.
    Adalbert Rücken, s. o.
    Rudolf Wassermann, Wo Buße not tat, wurde nach Entlastung gesucht. In: Recht und Politik, Vierteljahrshefte für Recht und Verwaltungspolitik 19. Jg., H. 1, März 1983, S. 5 ff.
    Justiz und NS-Verbrechen. Sammlung Deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen 1945 – 1966, bearb. von A. L. Rüther-Ehlermann und C. F. Rüther, 22 Bde., Amsterdam 1968 – 1981.
    3 Zur Frage der Eichmann-Verhaftung als Auslöser der Prozeßwelle siehe Anm. 2; hier wäre auch darauf zu verweisen, daß von den ursprünglich 24 Angeklagten des Auschwitzprozesses 15 zum Zeitpunkt der Eichmann-Verhaftung bereits in U-Haft genommen waren. Richard Baer, der unter falschem Namen und mit falschen Papieren lebte, konnte erst als einer der letzten identifiziert und verhaftet werden; er war als Hauptangeklagter im Auschwitz-Prozeß vorgesehen, starb aber im Juni 1963 in der Untersuchungshaft. (Im Auschwitz-Prozeß wurde von Dezember 1963 bis August 1965 gegen 20 Angeklagte verhandelt mit folgendem Ergebnis (nach Erlangung der Rechtskraft): 4 Freisprüche, 6 lebenslange Zuchthausstrafen, 10 zeitliche Zuchthausstrafen zwischen 3 und 15 Jahren. Veröffentlicht in: Justiz und NS-Verbrechen, Bd. 21, Nr. 595.)
    Das Ausmaß der Strafverfolgung von NS-Verbrechen läßt sich an der An zahl der Prozesse kaum abschätzen. Signifikanter ist die Zahl der Ermittlungsverfahren, auch wenn der überwiegende Teil mangels Tatverdacht, mangels Beweises trotz Tatverdacht oder wegen Tod oder Unauffindbarkeit des Tatverdächtigen eingestellt

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