Ein delikater Liebesbrief
schauen. Er hingegen verspürte eine unbändige Freude in seiner Brust. Eine geradezu alarmierende Freude. Nie zuvor hatte er so empfunden. Eines wusste er gewiss: Die Frau, die hier vor ihm stand, diese Frau mit ihrem Haar aus gesponnenem Gold, mit den rosenroten Wangen, die unter seinen Küssen erblüht waren – dieses prächtige Weib würde eines Tages ihm gehören.
Henrietta scherte sich keinen Deut um seine Stellung in der Gesellschaft. Sie wusste nichts von seinem Reichtum, hielt ihn sogar für verarmt. Könnte er je eine bessere Partie machen? Sie würde ihn zum Manne nehmen, weil er gut küssen konnte. Alles andere zählte nicht.
Er schaute sie an und wurde sich bewusst, dass ihm die Gedanken von der Stirn abzulesen waren, denn Henrietta errötete noch tiefer und sah geradezu anbetungswürdig aus.
»Mr Darby«, äußerte Lady Holkham in kaltem herrischem Ton, »ich darf Sie ersuchen, mich nach Hause zu begleiten, wenn Sie so freundlich sein wollen.«
»Selbstverständlich«, erwiderte er. »Und Sie werde ich wann wiedersehen … in einer halben Stunde?«, fragte er und sah Henrietta an.
Sie hob lediglich die Mundwinkel. »Die Gespräche mit Miss Pettigrew nehmen normalerweise höchstens eine Stunde in Anspruch, Sir. Es wäre sehr freundlich, wenn Sie mich dann nach Hause begleiten würden.«
»Und tapfer wäre ich zudem«, bemerkte Darby mit einem Blick auf den Zweispänner.
Ihr Lächeln sandte eine Hitzewelle durch seine Körpermitte. »Ja, gewiss. Auch tapfer.« Damit wandte sie sich ab.
»Mr Darby!« Erschrocken fuhr er herum. Lady Holkham betrachtete ihn wie ein Rattenfänger seine Beute.
»Lady Holkham«, versicherte er, »ich hätte ohnehin um eine Unterredung mit Ihnen ersucht, sobald ich Henrietta sicher am Schultor wusste.«
Als er ihre Tochter beim Vornamen nannte, presste Lady Holkham die Lippen zusammen. »Ich muss mit Ihnen reden, Mr Darby. Treffen Sie mich in zwanzig Minuten in Holkham House, wenn ich bitten darf!« Sie machte auf dem Absatz kehrt und rauschte davon.
Perplex schaute er ihr nach. Warum sollte Lady Holkham nicht erfreut darüber sein, dass sich endlich ein Freier eingefunden hatte, dem es völlig gleich war, dass Henrietta niemals Kinder bekommen würde? Dann ging ihm auf, dass sie vielleicht glaubte, er wüsste es nicht.
Doch wenn Lady Holkham erfuhr, dass er sich keine Kinder wünschte, würde sie seinem Antrag sicher wohlwollend gegenüberstehen.
Ein ironisches Lächeln lag auf seinen Lippen. Er hatte Rees prophezeit, er werde in der Wildnis von Wiltshire eine Braut finden, und genau das hatte er nun getan.
Darby ging in die Goldene Hirschkuh und bat Mr Gyfford um einen Bogen Kanzleipapier. Dann schrieb er folgende Botschaft an Rees:
Habe eine Frau gefunden. Werde sie kurzerhand heiraten. Dachte, es würde Dich freuen, als Erster davon zu erfahren .
Darby starrte einen Augenblick auf das Brieflein und fügte dann ein Postskriptum hinzu.
Sie ist eine reiche Erbin.
Er adressierte sein Schreiben an Rees Holland, Earl Godwin, und übergab es Gyfford, der es dem Postkutscher mitgeben sollte.
Dann machte er sich pfeifend auf den Weg nach Holkham House. Erst musste er dieses kleine Missverständnis mit Henriettas Stiefmutter aus der Welt schaffen, dann konnte er zur Schule gehen und seine zukünftige Braut abholen, ihr einen Antrag machen und auf dem Heimweg lange genug trödeln, um ihr ein paar Küsse zu rauben.
Das Gespräch mit der Dorfschulrektorin – Besprechungen, auf die Henrietta sich üblicherweise freute – erwies sich als schwieriges Unterfangen. Zum Beispiel ertappte sie sich dabei, in den unpassendsten Momenten zu lächeln.
Miss Pettigrew sprach über die kleine Rachel Pander und Henrietta grinste dazu wie ein Honigkuchenpferd, was ihr einen verblüfften Blick eintrug. Doch sosehr sie sich auch bemühte, sie konnte dem Gespräch einfach nicht folgen. Selbst als sie begriffen hatte, dass Rachels Haar einer Vielzahl kleinster Lebewesen Unterschlupf gewährte, konnte sie ihr Grinsen nicht abstellen.
»Es tut mir wirklich leid, Miss Pettigrew«, sagte sie schließlich. »Ich stehe heute ein wenig neben mir.«
Miss Pettigrew hatte klare graue Augen, mit denen sie selbst die aufsässigsten Schüler zur Ordnung mahnen konnte. »Das macht doch nichts, Lady Henrietta.«
Henrietta erschauerte innerlich und dankte Gott im Stillen, dass sie keine Schülerin mehr war.
Sie konnte sich einfach nicht konzentrieren. Darby hatte sie auf eine Weise geküsst, die
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