Ein delikater Liebesbrief
diese langweilige Gesellschaft.« Er ließ einen verächtlichen Blick über die Gäste schweifen.
»Ich habe Helene nicht mehr spielen hören, seit sie euer Haus verlassen hat«, sagte Darby. »Woher willst du wissen, dass sie die Musik immer noch liebt?«
»Hab sie letztes Jahr bei Mrs Kittlebliss spielen hören, wo ich rein zufällig vorbeischaute. Sie spielt jetzt noch besser als früher. Ehrlich gesagt musste ich mich förmlich losreißen, sonst hätte ich am Ende noch mit ihr gesprochen.« Rees wirkte erstaunt über sich selbst.
»Das überrascht mich gar nicht. Soweit ich mich erinnere, war euer gemeinsames Musizieren das Einzige, was euch vom Streiten abhielt.«
»Da irrst du dich«, widersprach Rees. »Über Musik sind wir uns auch furchtbar in die Haare geraten. Obwohl das eigentlich Spaß gemacht hat. Sie hatte ständig etwas an meiner Arbeit auszusetzen.« Nach diesem Geständnis sah er wirklich perplex aus.
»An deiner Arbeit ?«, sagte Darby spöttisch. »Sie hat sich erdreistet, das Werk von Londons führendem Komponisten komischer Opern zu kritisieren?«
»Halt die Klappe«, knurrte Rees.
»Sie hat also wirklich deine Kompositionen kritisiert?«
Rees nickte. »Und verbessert, wie ich zugeben muss. Helene besitzt das absolute Gehör. Sie konnte mich stets auf einen falschen Ton aufmerksam machen.«
Henrietta hatte sich auf eine Couch ganz in ihrer Nähe gesetzt, und Darby ertappte sich dabei, wie er sie beim Lachen beobachtete.
»Das Teuflische an der Ehe ist, dass du nie ganz über die Frau hinwegkommst«, gestand Rees unvermittelt. »Eigentlich bin ich nur gekommen, um dir das zu sagen. Ehen zerbrechen schnell, aber kein Mensch redet darüber, dass eine Ehefrau wie eine Klette an dir hängen bleibt. Du wirst sie einfach nicht los.«
»Du hast es ja hinreichend versucht«, bemerkte Darby und riss sich von Henriettas Anblick los. »Wie lange hast du mit Helene zusammengelebt? Ein Jahr?«
»Nicht ganz«, grunzte Rees. »Spielt auch keine Rolle. Sie gehen dir unter die Haut, diese Ehefrauen. Selbst heute noch frage ich mich manchmal, was sie wohl von dieser oder jener Melodie halten würde.« Jetzt wirkte er gar empört.
»Hmmm«, machte Darby. »Warum spielst du ihr nicht ab und an eine Melodie vor?« Damit schritt er davon, als gäbe er Rees so die Erlaubnis, auf Helene zuzugehen. Er hingegen wollte nichts lieber, als an Henriettas Seite zu eilen. Aber er würde es natürlich nicht tun.
Sie saß auf einer Couch, die in einem merkwürdigen Winkel in eine Ecke des Salons gequetscht war. Darby hatte bemerkt, dass ihr Hinken ein wenig ausgeprägter war als sonst. Er dachte kurz nach und beschloss dann, zu ihr zu gehen und sich auf freundschaftliche Weise nach ihrem Befinden zu erkundigen.
Eigentlich hatte er aber bis zum letzten Moment nicht gewusst, ob er es tatsächlich tun sollte – bis er Henriettas Blick begegnete und ein Lächeln ihr ganzes Gesicht zum Strahlen brachte.
Henrietta Maclellan verfügte vielleicht nicht über viel Erfahrung damit, Männer mit Blicken anzuziehen, doch sie besaß unzweifelhaft Talent dazu. Denn viele einladende Blicke waren bei Darbys Eintritt in den Salon auf ihn gerichtet gewesen.
Zuerst hatte sie ein wenig erstaunt gewirkt, dann jedoch gelächelt. Und nicht etwa nur mit dem Mund – Henrietta Maclellan konnte mit den Augen lächeln. Da kapitulierte Darby: Er steuerte auf sie zu wie Odysseus’ Matrosen auf die Sirenen.
Neben Henrietta saß Carola Perwinkle, eine Frau, die Darby immer schon gemocht hatte, auch wenn sie ein freches kleines Ding war. Und sie wurde ihm noch sympathischer, als sie sich bei seinem Herannahen erhob, ihn mit einem anzüglichen Lächeln bedachte und davonrauschte, um an der Seite ihres Mannes in den Speisesaal zu gehen.
Darby setzte sich wie selbstverständlich ein wenig näher zu Henrietta, als nötig war. »Wie geht es Ihnen, Lady Henrietta?«, fragte er nach kurzem Schweigen.
Henrietta hatte ihre betont ruhige Miene aufgesetzt, als könnte nichts ihre Liebenswürdigkeit erschüttern. »Mir geht es gut, danke«, erwiderte sie.
Bei näherem Hinsehen entdeckte Darby jedoch, dass sie nervös war. Dennoch rückte sie nicht von ihm ab. Er streckte ein Bein aus, berührte leicht das ihre. Er fragte sich nicht, warum er mit einer Frau flirtete, die für die Ehe nicht infrage kam. Er wollte einfach nur mit ihr flirten. Noch lieber wäre er mit der Zunge über ihre kleine Ohrmuschel gefahren. Henrietta trug ihr Haar hochgesteckt,
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