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Ein Ende des Wartens

Ein Ende des Wartens

Titel: Ein Ende des Wartens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Knieps
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schattig und kühl. Da es draußen einer der ersten warmen Tage des Jahres war, hatte sie sich nicht sehr dick angezogen und fröstelte leicht, als sie vor dem Parkautomaten stand und in ihrem Portemonnaie nach kleinen Münzen fingerte. Sie merkte zu spät, dass ihr nur wenige Cents fehlten und so schob sie noch einen Schein hinterher, hörte das Prasseln des Wechselgeldes und entnahm es aus dem Automaten. Erst in diesem Moment bemerkte sie den Mann hinter ihr, ein schmieriger, alter Kerl, der ihr ungeniert auf den Hintern starrte, den sie ihm auch noch hingestreckt hatte. Ohne lange auf den Mann zu achten, nahm sie die Karte aus dem Automaten, klemmte sie zwischen die Lippen und verschwand ins Parkdeck. Mehrfach drehte sie sich um, denn wie oft war es schon passiert, dass eine Frau in einem Parkhaus überfallen worden war.
Doch Annika erreichte gefahrlos den Wagen, der viel zu groß für sie war. Sie mochte kleine, wendige Autos, mit der man gut durch die Innenstadt kam, aber Marco hatte immer darauf bestanden, dass er ein angemessenes Auto fuhr. So hatte er sich einen älteren Mercedes Benz zugelegt, ein Auto, das ihm genauso wenig stand wie ihr. Annikas Problem war allerdings, dass sie mit diesem riesigen Schiff nun aus dem engen Parkhaus rausfahren musste, ohne anzuecken. Bis Zur Ausfahrt funktionierte das auch sehr gut und in ihr stieg ein leichter Stolz auf, doch dann kam sie an die Schrankenanlage und musste so nah wie möglich an den Kartenautomaten heranfahren. Um bloß nicht mit dem Spiegel an dem Automaten entlang zu schrappen, hielt sie Abstand und musste sich aus dem Fenster strecken, um den Automaten zu erreichen. Hinter ihr wartete bereits ein weiterer Wagen, ein großer, neumodischer Geländewagen, hinter dessen Steuer ein Mann saß, der nicht gerade entspannt wirkte. Nur ruhig, sagte Annika zu sich selbst und streckte den Arm noch ein wenig weiter aus, bis ihre Hand an den Spalt heranreichte. Ein letztes Strecken und die Karte wurde vom Automaten eingezogen. Es dauerte nur wenige Augenblicke und die Schranke hob sich. Annika wurde ein wenig hektisch, schaffte es nicht, loszufahren, bis sie merkte, dass sie die Handbremse angezogen hatte, löste diese und fuhr mit einem aufheulenden Motor aus der Tiefgarage heraus. Zum Glück war auf dem Gehweg hinter der Parkgarage gerade kein Fußgänger, sodass sie in die Straße einbiegen konnte.
    Den Weg nach Hause kannte sie zum Glück auswendig. Es war beinahe dieselbe Strecke, die sie auch mit der S-Bahn zu ihrer Arbeitsstätte entlangfuhr. Die Straße führte neben den Schienen entlang, kreuzte diese ab und an, und immer, wenn die Ampeln auf Rot standen, suchte Annika in den vorbeifahrenden S-Bahnen nach bekannten Gesichtern. Warum tat sie das? Das war doch auch sonst nicht ihre Art, andere Menschen zu beobachten!
    Dieser Gedanke beschäftigte sie auf der ganzen restlichen Fahrt. Als sie nach Hause kam und den Wagen so parkte, dass er auch gut und gerne ein paar Wochen so stehen konnte, trat sie in das Mietshaus, stiefelte die Treppen nach oben, öffnete die Wohnung, legte ihre Handtasche beiseite – und da war sie weg. Die ganze Taubheit, die ihre Stimmung in den letzten beiden Tagen bestimmt hatte, die Unsicherheit vor dem Neuen, vor am Anderen – sie war einfach weg. In diesem Moment wurde Annika klar, dass sie ab nun für ein Jahr alleine für die Wohnung verantwortlich war, mit allem, was noch so im Leben dazugehörte. Wenn etwas zu reparieren war, musste sie sich darum kümmern, funktionierte etwas nicht, war es an ihr, das Problem zu lösen, und auch die administrativen Dinge ihres Lebens waren jetzt ihre Aufgabe. Marco würde weit weg sein, ohne dass sie ihn fragen konnte. Wie war das mit ihren Konten? Was gab es zu wissen, falls eine Bank etwas wissen wollte? Oder die Lebensversicherung? Oder die vom Bausparen? Was, wenn der Vermieter irgendwas machte, was ihr nicht gefiel und Marco erst recht nicht gefallen würde? Für diese ganzen Sachen war sie jetzt mit verantwortlich!
    Um sich von diesen Gedanken abzulenken, ging sie in die Küche und machte sich einen Kaffee. Sie wartete, bis die Maschine aufgeheizt war und beobachtete dabei das blinkende Lichtchen. Warum nur kamen ihr jetzt solche Fragen in den Sinn, und nicht zwei Tage vorher, als Marco noch da war, um ihre Fragen beantworten zu können? Als das Licht zu blinken aufhörte und anblieb, drückte sie auf die Taste für eine Tasse und erhielt den Kaffee, so wie ihn Marco mochte. Es fiel

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